Grosse Welt an der Neugasse

Musik

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David May (41) hatte sich als Musikproduzent und -interpret einen Namen gemacht, ehe er sich in der Ungewissheit wiederfand. Mittlerweile ist der Vielinteressierte zurück und hat kürzlich im angestammten Bereich einen Erfolg gefeiert.

  • In diesem Studio hat David May einen Nummer-eins-Hit produziert. (Bild Patrick Hürlimann)
    In diesem Studio hat David May einen Nummer-eins-Hit produziert. (Bild Patrick Hürlimann)

Zug – Nach 50 Minuten Beinahe-Monolog folgert David May: «Immer nur am Rennen zu sein, ist nicht gut. Man muss auch mal innehalten und in sich gehen.» Ein Moment lang ist es still im Studio an der Neugasse, die Worte hallen nach. Für einen, der fast ohne Punkt und Komma schildert, wie er von Tausenden sich bietenden Möglichkeiten möglichst viele wahrnimmt, sind das erstaun- liche Sätze.

Der 41-Jährige hat schon so manche Rolle gelebt und sich in anderen versucht. Der einzige stete Begleiter ist die Musik. May, der Sohn zweier ehemaliger Popstars aus Polen, ist in Klassik ausgebildet, er spielt unter anderem Klavier und Querflöte. Nach seiner Ausbildung zum Audio Engineer wurde er Musikproduzent und eröffnete im Chamer Industriegebiet ein Studio. Dort sind Grössen der Schweizer Technoszene ein und aus gegangen. «Es waren grosse Zeiten», blickt er auf knapp zehn Jahre zurück.

Sein Gesicht haben Millionen gesehen

Im Jahr 2009 schliesslich trat David May selbst als Interpret in Erscheinung, dazu habe ihn ein Buch von Dieter Bohlen motiviert. Unter seinem Namen landete er mit «Superstar» einen Hit in der Dance-Music-Sparte. Auf Youtube ist das offizielle Video bislang fast 29 Millionen Mal angeklickt worden. Der eingängige Song wurde nachweislich von Klubs amerikanischer Profisportligen zur Stimmungsankurblung in den Stadien aufgegriffen, mitunter im Baseball: «Ein Jahr lang war er als Einlaufmusik der New York Yankees zu hören», sagt David May. 

Das war sein Türöffner für den amerikanischen Musikmarkt. Die von ihm in Co-Leitung geführte Firma DMZ Music darf seither weltbekannte Grössen wie Pitbull, Flo Rida, Bruno Mars, Snoop Dogg und P. Diddy als Referenzen aufführen, für die sie Songs oder Teile davon produziert hat. Goldene Platten an den Wänden des Studios zeugen davon.

Es müssen reiche Zeiten gewesen sein – sehr reich an Arbeit und ziemlich reich an Einkünften. Doch diese Zeiten währten nur kurz. Die tiefgreifenden Veränderungen im Musikmarkt machten auch vor dem Chamer Industriegebiet nicht Halt: «Die Produktionsfirma erhält ohnehin nur einen kleinen Teil vom Kuchen. Und seit dem Aufkommen der Streamingdienste verdienen ja selbst die Künstler kaum mehr etwas mit Songverkäufen», erklärt May.

Bei Tisch mit Honorationen

An diesem Punkt setzte die Zeit seiner grossen Suche ein. Der Suche nach der Zukunft, die ihn letztlich zu sich selbst und nach Zug führte. Bis dahin war es aber ein weiter Weg – nicht nur im übertragenen, sondern auch im geografischen Sinn. Der kontaktfreudige May suchte in mehreren Ländern Afrikas nach Ideen für neue Geschäfte und hatte sich als Netzwerker in der Rohstoffbranche und der Industrie versucht. Er habe mit «Ministern und Präsidenten» gespeist und seinen Horizont erweitert. Menschlich seien diese Erfahrungen gewinnbringend gewesen, finanziell hingegen nicht.

Es fällt May leicht, über Rückschläge zu sprechen. Er hat gelernt, über sich nachzudenken und vor allem das Positive zu sehen. Die Neugier und viele Kontakte aus erwähnter Zeit sind ihm geblieben. In der Stadt Zug fand er zudem einen Lebensmittelpunkt, der ihm dabei hilft, das zu nutzen. «Es ist faszinierend, wie viele interessante Personen aus der ganzen Welt sich hier auf kleinem Raum versammeln. Ich sehe es als ein Privileg, Teil davon zu sein», schwärmt er.

Die Kleinräumigkeit zeigt sich im Fall von May besonders anschaulich. Um den kleinen Hirschenplatz bei der Münz wohnt er, liegt das erwähnte Studio, und verdient er auch sein regelmässiges Einkommen: May ist stellvertretender Geschäftsführer der Weinbar Platzhirsch. In dieser Funktion tauscht er sich mit den Gästen aus, was ihm Gedankenanstösse sowie Zugang zu kreativen Kreisen gewährt, die ihm Ideen für neue Projekte liefern. Aktuell ist May neben seiner Tätigkeit in der Gastronomie unter anderen in folgenden Bereichen tätig: Upcycling (Wiederverwertung), erneuerbare Energien, IT-Entwicklung, Videopräsentationen, Werbevertonung – und natürlich die Musik.

Kürzlich feierte DMZ Music erstmals als Plattenfirma und Produzent einen Erfolg. Der Schweizer DJ Mr. Da-Nos stieg mit seiner Single «Ohlala» zur Nummer eins der hiesigen iTunes-Charts auf. Geschaffen wurde sie am Computer, der im unscheinbaren Studio an der Zuger Neugasse steht. 

David May rückt seinen Stuhl an das Pult, um an einem Beispiel zu zeigen, wie man heutzutage einen Song bastelt. Er wirkt tatsächlich entspannt in seiner kleinen, grossen Welt. Aber seine Suche ist noch nicht zu Ende. (Raphael Biermayr)