Stille Ode an die Königin der Sinne

Dies & Das

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Ein zartes Kunstwerk an der Kantonsschule in Zug gemahnt leise an die Vergänglichkeit des Lebens und erinnert an die grosse Künstlerin, die es schuf.

  • Schmal-rechteckige Glasbausteine sind im Brunnen von Elisabeth Arpagaus platziert. Je nach Sonnenlichteinfall werfen sie bunte Schatten und wirken beruhigend auf den Betrachter. (Bild Kobal Grafik GmbH, Zug)
    Schmal-rechteckige Glasbausteine sind im Brunnen von Elisabeth Arpagaus platziert. Je nach Sonnenlichteinfall werfen sie bunte Schatten und wirken beruhigend auf den Betrachter. (Bild Kobal Grafik GmbH, Zug)

Zug – Geheimnisvoll schimmern sie, die bunten Glasbausteine, die im grossen Wasserbecken vor dem Neubau beim Haupteingang der Kantonsschule Zug eingelassen sind. Ihre farbigen Schatten schmiegen sich an den Betonboden und tanzen je nach Lichteinfall und Wasserbewegung in verschiedenen Rhythmen. Das feine, farbenfrohe Spiel gedenkt poetisch der Künstlerin, die es geschaffen hat: Elisabeth Arpagaus.

Die Kantonsschule Zug in der Luegeten wurde von den bekannten Zuger Architekten Leo Hafner und Alfons Wiederkehr konzipiert und 1975 nach mehr als zehnjähriger Planung fertiggestellt. Es entstand eine grosszügige Schulanlage aus mehreren von Zwischenräumen und Wegen umspielten Gebäuden. Schon nach sechs Jahren war die Anlage zu klein geworden, und dieselben Architekten bauten diese aus. Mit dem weiteren Zuwachs von Schülerinnen und Schülern wurde 2003 erneut ein Erweiterungsbau nötig. Das Architekturbüro Enzmann und Fischer aus Zürich schuf einen schlichten, formklaren und funktionalen Betonbau im Osten der Anlage. Dieser stösst an die bestehenden Gebäude und ergänzt das gewachsene Ensem­ble respektvoll.

Zu diesem Erweiterungsbau gehört ein grosses, rechteckiges Wasserbecken, ebenfalls aus Beton, das an seine östliche, im Erdgeschoss zurückversetzte Fassade grenzt. Dieses fasst eine von zwei Architekturinterventionen von Elisabeth Arpagaus, die als Siegerprojekt des Kunst-am-Bau-Wettbewerbs hervorgegangen sind. Das Kunstwerk ist überaus schlicht und entfaltet seine Präsenz still und poetisch: Im Wasserbecken sind in freien Rhythmen schmal-rechteckige Glasbausteine platziert. In ihren blauen und grünen Farbnuancen nehmen sie die Töne des Wassers auf. Bei Sonnenbestrahlung werfen sie bunte Schatten auf den Brunnenboden, die sich im Gleichklang des Wassers bewegen. Die Installation beruhigt den aufgewühlten Geist und belebt die schlichte Architektur.

Hans Peter Gnos, ehemaliger Zeichenlehrer an der Kantonsschule Zug, kennt das Werk gut: «Ich empfinde es als zeitgemässe Version der ‹Seerosen› von Claude Monet. In den feinen Grün- und Blautönen der fragilen Glasbausteine und ihren Spiegelungen im Wasser verbinden sich Licht und Luft lautlos und innig. Der Brunnen fängt den Himmel und die unterschiedlichen Stimmungen des Tages ein und reflektiert sie flirrend.» Das zweite Kunstwerk von Arpagaus lässt sich, wenn man durch die Fenster im Treppenhaus blickt, auf dem Boden des Lichthofs im Gebäudeinneren entdecken: Hier bilden rote, gelbe und grüne Glasbausteine ein Mosaik auf einem Feld von Glassplittern. Die dünnen, rechteckigen Elemente liegen flach auf dem Boden und sind in warmen Erdtönen gehalten. «Diese Arbeit antwortet auf jene im Freien», erklärt Gnos. «Während der Brunnen das Offene, das Lichtvolle, das Lebendige zeigt, stellt das Werk im Lichthof das Verschlossene, das im Halbdunkel Schlummernde, das Ruhende dar. Es ruft nach einem Blick über die Mauerkante in die Tiefe, nach einem vertieften Blick.»

Zeitlebens setzte sich die Künstlerin mit dem Phänomen der Farbe auseinander. Auf Wanderungen suchte sie nach den Orten der Farbe. Und in der Natur entdeckte sie den Reichtum der Zwischentöne. Diese Farbtöne kreierte sie dann aus Naturpigmenten von Pflanzen und Steinen und verwendete sie für ihre Kunstwerke. Ihre Arbeiten entwickelten sich so stets im Zwiegespräch mit der Natur, die bei der Betrachtung ihrer Werke lebendig wird. Elisabeth Arpagaus wurde 1957 in Chur geboren. Sie studierte an der Ecole des Arts in Genf Kunst, reiste viel und machte Studienaufenthalte in Rom, Kairo, Südfrankreich. Sie schuf mehrere Kunst-am-Bau-Werke und zeigte ihre Arbeiten an Ausstellungen, so auch 2002 im Kunsthaus Zug. Für ihr Werk wurde sie mit zahlreichen Preisen und Stipendien geehrt. Sie lebte und arbeitete in der Schweiz und in Frankreich. 2016 verstarb Elisabeth Arpagaus nach längerer Krankheit.

Mit der Installation an der Kantonsschule Zug schuf Elisabeth Arpagaus ein subtiles Sinnerlebnis. Das Kunstwerk ist exemplarisch für die Künstlerin, die stets nach den Farben des Lebens suchte und unbeirrt von Strömungen ein eigenständiges und einmaliges Werk hervorbrachte. Die schlichte Intervention entfaltet eine zarte Präsenz und könnte jederzeit spurlos weggeräumt werden. Sie steht so gleichsam als Metapher für die Vergänglichkeit des Lebens. (Brigitte Moser)

Hinweis
Mit «Hingeschaut!» gehen wir Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Frühere Beiträge finden Sie online unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut.