Walchwiler wollen Zugs Altstadt stürmen

Brauchtum & Geschichte

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Am Montag fällt mit dem Chriesisturm der Startschuss zur Kirschenernte. Wegen des Wetters erfolgt dieser genau genommen zu früh, was aber das Spektakel nicht mindert.

  • Auf dem Eichhof in Walchwil werden aus dem Brennabfall Träschstöckli gepresst. Nicole Hürlimann mit Sohn Raphael zeigt, wo diese getrocknet werden. (Bild Werner Schelbert)
    Auf dem Eichhof in Walchwil werden aus dem Brennabfall Träschstöckli gepresst. Nicole Hürlimann mit Sohn Raphael zeigt, wo diese getrocknet werden. (Bild Werner Schelbert)

Zug – Wer momentan im Chriesiland Zug Kirschen zu Gesicht bekommen will, muss suchen. Dies ganz im Gegensatz zu anderen Jahren. Der Grund ist das kühle und regnerische Wetter der vergangenen Wochen, das zu einem Vegetationsrückstand von rund acht Tagen geführt hat, wie Louis Suter, Leiter der kantonalen Fachstelle für Obstbau beim landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Schluechthof, erklärt. Das nasskalte Wetter habe nebst der Verzögerung zu einem zweiten Problem geführt, führt Suter weiter aus. Und dies vor allem in höheren Lagen und bei Hochstammbäumen. «Denn die Bäume, die nicht regelmässig behandelt wurden, sind fast alle von der Schrotschusskrankheit befallen.» Dabei handelt es sich um den Befall mit dem Pilz Wilsonomyces Carpophilus, der vor allem Zwetschgen, Pflaumen und Kirschbäume befällt. Der Name der Krankheit rührt davon, dass die Blätter stark befallener Bäume wie von Schrotkugeln durchlöchert aussehen. Sie vergilben und fallen vorzeitig ab. Wie die Ernte bei den Hochstämmern und damit den Brennkirschen ausfalle, sei völlig unklar, sagt Suter. «Je nach Lage und Befall ist alles möglich.» Bei den Tafelkirschen erwartet er eine «gute Ernte». Denn diese seien meist gespritzt, und man sei mit Netzen gegen die Kirschessigfliege vorgegangen. «Wie es aussieht, sehen wir in zwei Wochen, wenn der grösste Teil der Kirschen geerntet wird.»

Gäste aus Walchwil

Der offizielle Start der Kirschenernte erfolgt am nächsten Montag in der Stadt Zug. Dies mit dem achten Chriesisturm (siehe Box). Und in diesem Jahr richten die Zuger ihren Blick nach Walchwil. So ist Walchwil einerseits mit einem Gastteam am Chriesisturm vertreten. Niemand Geringeres als Gemeindepräsident Tobias Hürlimann will dabei mit seinem Rennpartner Stefan Hermann die Zuger Altstadt erstürmen.

Andererseits zeigt ein Blick in die Gegenwart und Geschichte, dass Walchwil für Zugs Kirschen von zentraler Bedeutung ist. Denn dessen Chriesi­bauern haben im Rahmen von «1000 Kirschbäume für Zug» seit 2008 über 100 neue Kirschbäume gepflanzt.

1866, also genau vor 150 Jahren, gab es alleine in Walchwil auf 145 Liegenschaften 23 323 Obstbäume, davon waren 7973 Kirschbäume. Im 19. Jahrhundert war Walchwil bekannt für Baumschulen, die in die ganze Schweiz ihre Kirschbäumchen exportierten. Man zählte damals 37 Liegenschaften mit 77 289 Jungbäumen, alleine auf dem Hof Gosselingen standen deren 31 000, wie Chriesi-Forscher und IG Zuger Chriesi Mitinitiator Ueli Kleeb erklärt. Zu verdanken sind diese Zahlen den «Baum-Protokollen» aus dem Archiv der Korporation Walchwil. Die ältesten Protokolle, in denen Obstbäume erfasst wurden, stammen aus den Jahren 1768 bis 1830. Zum Vergleich: Im Jahr 1850 hatte Walchwil 1040 Einwohner, es gab also achtmal so viele Chriesibäume wie Menschen. Bei der letzten statistischen Erhebung 2001 wurden in Walchwil noch 1638 Kirschbäume gezählt, was gegenüber 1866 einer deutlichen Abnahme von 6335 Chriesibäumen oder 80 Prozent entspricht. (Charly Keiser)

Start zu den Zuger Chriesiwochen mit dem Chriesisturm 

Programm red. Der Zuger Chriesisturm vom kommenden Montag, 27. Juni, läuft wie folgt ab:

  • 11.45 Uhr: Begrüssung des Publikums bei der Liebfrauenkapelle.
  • 12 Uhr: Läuten der Chriesigloggä und Start «Chriesisturm» (Erwachsene);
  • 12.10 Uhr: Start Kindersturm (Kinder).
  • 12.30 Uhr: Festwirtschaft auf dem Landsgemeindeplatz mit Chriesiwurst und Chriesisturm, Zuger Kirschtorte und Zuger Kirsch, Rangverkündigung,

 Livemusik.

  • 14 Uhr: Ende Festwirtschaft;
  • 15 bis 18 Uhr: Start Zuger Chriesimärt.

 Parcours Chriesisturm: Liebfrauenkapelle–Ober Altstadt–Schwanenplatz–Unter Altstadt–Fischmarkt–Seestrasse–Landsgemeindeplatz–Widdergässli–Kolinplatz–Zytturm–Ober Altstadt–Liebfrauenkapelle.

Rennteams Chriesisturm: Team 1: Zuger Bäckerzunft (Paco Weiss, Jann Leutenegger), Team 2: SAC Rossberg (Peter Penzenstadler, Marcel Niederberger), Team 3: Quartier Kirchmatt (Thomas Heiner, Theo Auf der Maur), Team 4: Schweizer Obstverband (Georg Bregy, David Stacher), Gastteam: Gemeinde Walchwil (Tobias Hürlimann, Stefan Hermann).

Parcours Kindersturm: Liebfrauenkapelle–Ober Altstadt–Schwanenplatz–Unter Altstadt–Liebfrauenkapelle.

Rennteams Kindersturm: 6. Primarklasse, Schulhaus Riedmatt Zug, Lehrer Thomas Bächler. Team 1 (Adrienne Philipp, Rita Müller), Team 2 (Leonie Kälin, Michelle Ojimah), Team 3 (Arno Röthlin, Liam Vitagliano), Team 4 (Cyrill Zanon, Yasmin Borner), Team 5 (Justin Ruoss, Aaron Stalder).

Der traditionelle Chriesimärt auf dem Zuger Landsgemeindeplatz findet täglich von Montag bis Freitag, jeweils von 15 bis 18 Uhr statt, voraussichtlich bis Mitte Juli, je nach Angebot und Nachfrage. Von Chriesibauern und Märtfahrern aus dem ganzen Kanton Zug werden frische Tafelkirschen und andere Chriesispezialitäten angeboten.

Am 9. Juli findet der Zuger Chriesitag statt – von 7.30 bis 15 Uhr auf dem Landsgemeindeplatz. Chriesibauern, Märtfahrer, Confiseure und Destillateure aus der Region Zug bieten nebst frischen Tafelkirschen zahlreiche andere Kirschenspezialitäten an. Die Besucher erwarten an diesem Tag diverse Attraktionen wie die «Zuger Meisterschaft im Kirschenstein-Spucken», Chriesidegustation, Kirschdegustation, Streichelzoo, Chriesibaumfischen, musikalische Unterhaltung und eine von Freiwilligen geführte Festwirtschaft.

Die Kirschtortenmeile mit fünf drehbaren Bildzylindern stellen das Zuger Chriesiland mit seinen Kirschen und Kirschbäumen, seinem Kirsch sowie die 100-jährige Geschichte der berühmten Zuger Kirschtorte vor. Fünf Stationen, 1,6 Kilometer lang, geführte Touren für Gruppen über Zug Tourismus. Informationen unter www.zug-tourismus.ch und www.zuger-kirschtorten-meile.ch