Ein Blick auf Pionierinnen

Dies & Das

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Anita Gamma bietet seit 14 Jahren Stadtführungen zu verschiedenen Themen an. Unter anderem führt sie Interessierte auf den Spuren der Zuger Frauen durch die Altstadt.

Zug – Auf ihrer Route zeigt sie etwa den gotischen Saal des Rathauses, in dem zwischen 1611 und 1691 rund 160 Frauen als Hexen zum Tode verurteilt wurden. Oder sie berichtet, wie die Mägde der Bürgerhäuser rund um die Altstadt nach dem Umbruch der Stadtgrenzen um 1500 das Wasser am Kolinbrunnen geschöpft haben. Dabei versteht es Stadtführerin Anita Gamma, ihre Zuhörer anhand der noch gegenwärtigen Zeitzeugen im Ortsbild in eine unvorstellbar andersgeartete Gesellschaft zu entführen. Dass die Menschen, von denen Gamma am letzten Samstag im Rahmen der Stadtführung unter dem Titel «Frauenspuren» erzählt, in denselben Häusern gelebt haben wie manche Zuger heute noch, lässt einen etwas perplex vor einem Gebäude stehen, an dem man normalerweise achtlos vorbeigeht.

Das Haus Nummer 17 an der St.-Oswalds-Gasse ist ein schöner, schlichter Altbau. Gleich daneben steht das Brandenberghaus, das den stillen Nachbarn mit seiner reich bemalten roten Fassade in den Hintergrund drängt. «Doch hier in der Nummer 17 wohnte Agatha Schwerzmann», erzählt Gamma – die «Witwe Schwerzmann», wie sie sie nennt, als seien die beiden seit langem Bekannte. Und das sind sie wohl auch in gewisser Weise durch all die Zeit, in der sich Gamma mit der Zuger Vergangenheit befasst hat. Agatha Schwerzmann hatte drei Töchter. Eine davon war die 1853 geborene Adelheid Schwerzmann, die im Kanton Zug starke Spuren hinterlassen hat.

Adelheid Schwerzmann war erst die Sekretärin und später die Frau des amerikanischen Firmenpioniers George Page, der damals in Cham mit seiner Kondensmilchfabrik die ersten Steine legte, auf denen später das Nestlé-Imperium gründen sollte. Mit dem Geld ihres Mannes liess Adelheid Schwerzmann in Ägeri das Sanatorium Adelheid errichten, um der damaligen Epidemie von Lungentuberkulose entge­genzuwirken. Ausserdem gründete sie die Gemeinnützige Gesellschaft Zug und schenkte ihr das Sanatorium. Diese führt ih­ren Betrieb heute noch weiter.

Die erste Studentin

Daneben, gegenüber der Bibliothek, steht ein weiterer Zeitzeuge, den Gamma in ihre Führung aufgenommen hat: das Gebäude, in dem heute das Zuger Baudepartement untergebracht ist. «Gebaut wurde dieses Haus ursprünglich als Lateinschule», erklärt Gamma. «Und das Besondere dabei ist, dass diese Lateinschule später zum ersten Innerschweizer Gymnasium wurde, an dem auch Frauen studieren durften.» Bereits 1919 gehen hier die ersten Schülerinnen ein und aus. Die umliegenden Gymnasien ziehen erst Jahrzehnte später nach, da sie in klösterliche Gemeinschaften eingebunden waren, während das Zuger Gymnasium als einziges vom Kanton geführt wurde.

Unterhalb der St.-Oswalds-Gasse, direkt am See, hat sich eine andere starke Zuger Frau verdient gemacht. Josephine Keiser gründete hier die erste Zuger Hauswirtschaftsschule für Mädchen, um diesen eine Alternative zur Arbeit in den aufkommenden Fabriken zu bieten. Als zu Beginn noch nicht alle Räume des heute gelb gestrichenen, grosszügigen Hauses genutzt wurden, vergab sie einige Zimmer an Frauen aus den Fabriken. Diese arbeiteten dort bis zu zwölf Stunden am Tag und waren froh, den oft langen Heimweg nicht mehr auf sich nehmen zu müssen. Die Mädchen arbeiteten etwa für die «Verzinki Zug», die heutige V-Zug, oder die Metallwarenfabrik, die damals auf dem Gelände des heutigen Metalli standen.

Die Stadt Zug kann – das wird bei der Führung mit Anita Gamma deutlich – auf die Geschichte zahlreicher starker Frauen zurückblicken. (Wolf Meyer)