Vom Katzenparfüm bis zur Apokalypse

Kunst & Baukultur

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Andy Ineichen ist illustrer Dekorationskünstler. Seine enorme Schaffenskraft und Kreativität demonstriert er nun erstmals losgelöst von Auftragsarbeiten. Er legt ein eindrückliches Werk vor und begibt sich damit auf Provokationskurs.

  • Andy Ineichen mit seiner Frau Nathalie und Skim im Atelier in Alikon bei Sins. Hier setzt der Künstler seine Ideen mit allen erdenklichen Materialien um. Seine Werke, die er als freier Künstler geschaffen hat, zeigt er nun erstmals der Öffentlichkeit. (Bild Maria Schmid)
    Andy Ineichen mit seiner Frau Nathalie und Skim im Atelier in Alikon bei Sins. Hier setzt der Künstler seine Ideen mit allen erdenklichen Materialien um. Seine Werke, die er als freier Künstler geschaffen hat, zeigt er nun erstmals der Öffentlichkeit. (Bild Maria Schmid)

Zug – Andy Ineichens Haus ist wirklich eine Welt für sich. Jeder Raum ist anders: das Wohnzimmer ein stilisierter Empirepalast, der Essraum eine Las-Vegas-Version von König Artus’ Tafelrunde in eckig, das Bad eine Gaudí-Reminiszenz, rundum skurrile Deko-Objekte aller erdenklicher Art. Der Künstler und seine Frau Nathalie mitsamt Nachwuchs haben sich in ihrem Anwesen in Alikon bei Sins ein fantastisches Reich geschaffen. Ihr Haus liessen sie bewusst nur bis zur Stufe Rohbau errichten. Alles Weitere, sprich die gesamte Innenausstattung, wollte das Ehepaar selber in die Hand nehmen. Andy Ineichens riesiges Atelier erstreckt sich über mehrere Räume und Aussenbereiche.

Ineichen ist eine illustre Figur in der Kunst- und Designbranche, ein wahrer Virtuose, wenn es um Farben und Formen geht. Wenn irgendwo eine monumentale Illusions- oder Dekorationsmalerei gewünscht ist, ein ausgefallenes 3D-Objekt oder einfach irgendetwas Unkonventionelles, das dem Zweck der Dekoration oder Verschönerung dient, kommt Ineichen ins Spiel. Er liebt sämtliche Formen, die dem Starren entrückt sind. «Die Gerade ist ein Werk des Teufels», zitiert er sinngemäss Friedensreich Hundertwasser.

Provokation durch versteckte Botschaften

Der aus dem nahen Kanton Zug stammende Künstler hat seine Kreativität und handwerkliche Versiertheit bislang hauptsächlich im Rahmen von Auftragsarbeiten angewandt. In vielen öffentlichen und auch privaten Bauten im In- und Ausland findet man seine Kreationen.

Jetzt präsentiert Ineichen erstmals ein Werk als freischaffender Künstler. Und dabei will er nicht einfach nur seine kreative Reife und seine Fertigkeiten zur Schau tragen, sondern seine erste Ausstellung auch gleich einer einschlägigen Thematik widmen – der Provokation. Ineichen will da Öl ins Feuer kippen, wo es um christliche Werte geht, um religiöse Aspekte, aber genauso um gesellschaftliche, und natürlich um politische. Kurzum: Er knüpft sich alles vor, was die chaotische Welt heute umtreibt. Meist sind es versteckte Botschaften und Seitenhiebe, welche in seinen vorwiegend grossformatigen Gemälden und skurrilen Objekten stecken.

Die Geistesblitze kommen mitten im Akt

«Zahlreichen Bildern liegt jeweils ein Bibelzitat zugrunde», erklärt Ineichen. Galater 5.14 – «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» – lautet neu «Ficke deinen Nächsten wie dich selbst». Was im Augenblick vulgär klingt, erhält bei der weiteren Auseinandersetzung mit dem Werk durchaus seinen Sinn. Oder was hat es auf sich, wenn beim Thema Sodom und Gomorrha gar der Tod selbst umgebracht wird? Und betrachtet man Ineichens «Aktienpapier der Art Basel», so kann man sich fragen, wie kritisch er diesen Megaevent – und somit den Kunstmarkt – beurteilt. Neben dem Thema der Zehn Gebote knöpft sich Ineichen naheliegenderweise auch die «Leader» dieser Welt vor, welche in ihrer Selbstherrlichkeit und Arroganz ersaufen und ihre Vorbildfunktion geflissentlich ausblenden. Hollywood als verkommenes Pflaster der Perversion, menschliche Schubladisierung, Unersättlichkeit, oder die Existenz lediglich als ein Konstrukt von Seifenblasen – in seinen Sujets stecken jede Menge Denkanstösse, es sind heftige Seitenhiebe zuweilen voller Sarkasmus und Ironie. Aber immer mit ernstem Gehalt. «Ich greife vor allem Themen auf, die mich persönlich umtreiben», sagt Andy Ineichen.Dies setzt er mit allen möglichen Materialien und Formen um. Mehreren seiner eindrücklichen Ölbilder dienen Fotografien als Vorlage. Der Prozess ist fast immer intuitiv, kein Schritt ist vorgegeben, die Geistesblitze kommen mitten im Akt. Durch viele solcher Geistesblitze sind etwa auch «Die vier Säulen der Macht» entstanden, die in Gestalt buddhis­tischer Gebetsmühlen in Erscheinung treten.

Der Hang zum Makaberen

Dieser Spontaneität entgegen­gesetzt ist dafür die Konsole mit einer Reihe unterschiedlich frisierter Totenschädel. Ab 1988 hat der Künstler wiederholt seine Haare rasiert, wenn sie lang genug waren, sie jeweils einem Schädel-Abguss verpasst und so seine eigene Geschichte der letzten drei Jahrzehnte auf skurrile Weise dokumentiert – ein Kunstwerk, das seit nunmehr 250000 Stunden im Entstehen begriffen ist. Ineichens Hang zum Makaberen äussert sich besonders deutlich in den beiden Objekten mit den verheissungsvollen Bezeichnungen «Katzenparfüm» oder «Ungeziefer im Bernsteinzimmer». Ähnlich bizarr das Gebilde mit irdischen Überresten nach der Apokalypse ... (Andreas Faessler)

 

Hinweis
Ausstellung in der Altstadthalle Zug bis und mit 12. März. Vernissage heute Samstag ab 10 Uhr. Offen Mo–Fr von 10–20 Uhr und Sa/So von 10–22 Uhr. Der Künstler ist stets anwesend.