Eine opulente Kulisse für das «Geheimnis des Berges»

Musik

,

Mit der Vesper «Mysterium Montis» lässt der Zuger Komponist Carl Rütti den ganzen Kirchenraum zur Bühne werden. Besonders spannend ist die Besetzung.

Zug – Berge üben auf den Menschen seit alters her eine Faszination aus. Für die einen sind sie bedrohlich und gefährlich, für die anderen sind sie Schönheit und Anmut. Ihre schroffe, ja geheimnisvolle Natur war seit jeher reiche Quelle für Legendenbildung.

Bereits in der Bibel spielt das Motiv des Berges an mehreren Stellen eine Schlüsselrolle. Und biblische Verse sind der Nährboden für geistliche Musik – auch für neue. Die Vesper «Mysterium Montis» ist die aktuellste sakrale Komposition des Zuger Musikers Carl Rütti. Auf gut Deutsch so viel bedeutend wie «Geheimnis des Berges», wird das Werk nicht nur von den entsprechenden Psalmen inspiriert, sondern ist zudem auf eine Weise arrangiert, dass die Assoziation zum Thema des Berges auch bezüglich der Instrumente entsteht: Es spielt ein Alphorn-Sextett.

Bibelszenen um den Berg

Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Kombination von Chor und Alphörnern in einem abendfüllenden Werk sakraler Musik? Ein Ehepaar aus der Nordwestschweiz – beide leidenschaftliche Alphornbläser – besuchte vor einigen Jahren eine orthodoxe Liturgie in St. Petersburg. Der dortige Chor intonierte die Musik auf eine Weise, welche die beiden Schweizer stark an die heimatlichen Alphornklänge erinnerte. Tief beeindruckt von dieser akustischen Erfahrung gaben sie Carl Rütti den Auftrag, ein liturgisches Chor-Alphorn-Werk zu komponieren. Die Wahl von Thema und Form war ihm überlassen. Dieser wählte also drei biblische Bergszenen als Basis für eine Vesper – in Latein.

Die erste dieser Szenen ist Psalm 121, in dem es heisst: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt. Meine Hilfe ist von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Die zweite Szene ist Elia auf dem Berg Horeb und die dritte Jesu Verklärung auf dem Berg Tabor. «Mit den restlichen Teilen, namentlich Eröffnung, Hymnus, Magnificat, die Fürbitten und das Vaterunser, halte ich mich an den traditionellen Vesperablauf», erklärt Carl Rütti. Der Hymnus-Text O nata lux de lumine erscheint in «Mysterium Montis» erst als Abschlussgesang. An der Stelle des Hymnus setzt Rütti ein reines Alphornstück.

Höchste Konzentration

«Die Bibelszene auf dem Berg Tabor lässt sich mit Alphörnern klanglich sehr passend umsetzen», führt Rütti aus. Oder auch das «sanfte, leise Säuseln», welches Elia auf dem Horeb vernimmt, kann mit den Instrumenten authentisch wiedergegeben werden. Wohlbemerkt bedeutet dies – und ohnehin die ganze Vesper – einen ordentlichen Anspruch an die Alphornisten. «Wir haben dafür hochkarätige Musiker engagiert», sagt Rütti. Ihre Einsätze erfolgen oft in ganz unterschiedlichen Tonlagen, was den Bläsern höchste Konzentration abverlangt. Innerhalb der Vesper finden mehrere Steigerungen statt, das Wechselspiel des rund 50-köpfigen Chores und der sechs Alphornisten generiert laut Rütti Spannungen und immer wieder akustische Gegensätze. Die Einleitung erfolgt a cappella. Zu beachten gilt es, dass der Klang der Alphörner per se voluminös und entsprechend laut ist. Somit ist es kaum möglich, dass der Chor beispielsweise ein Pianissimo singt und dabei von allen sechs Instrumentalisten begleitet wird. «Stellenweise übernimmt der Chor den begleitenden Part», fügt Carl Rütti hier an.

Eine weitere Besonderheit von «Mysterium Montis» ist der choreografische Ablauf – die Vesper wird alles andere als «statisch» interpretiert. Der ganze Kirchenraum wird während der Vesper miteinbezogen. Ausgehend vom Chor stellen sich die Sänger und Instrumentalisten an abwechselnden Orten für ihre Einsätze auf. Es wird von der Kanzel gesprochen, der Chor bewegt sich ausgehend vom Altarraum seitlich von den Kirchenbänken um die Zuschauer, Alphornsolisten platzieren sich in den Seitenkapellen, dann auf der Orgelempore, später wieder im Altarraum. Die Uraufführung des Werks findet im Dom zu Arlesheim statt, in der Heimat der Auftraggeber. Das ganze Gotteshaus wird somit zur prächtigen Rokoko-Bühne für das «Geheimnis des Berges».

Walliser Chor

Ungefähr 75 Minuten dauert das sakrale Klangerlebnis, dieses zu komponieren ist Carl Rütti mit grosser Freude angegangen. Der Zuger hat als Kind selbst Alphorn gespielt. Mit «Mysterium Montis» hat er das erste Mal liturgische Musik für diese Besetzung geschrieben. Eine besondere Erfahrung für ihn.

Mitwirkende bei diesem gross angelegten Werk sind das renommierte Oberwalliser Vokalensemble und das Alphorn-Sextett mit Mark Gebhart, Alois Hugener, Marcel Huonder, Matthias Kopfmehl, Tina Wilhelm und Monika Zuber. Die Gesamtleitung hat Hansruedi Kämpfen inne.

Drei Kirchen – drei Bühnen

Vorerst sind drei Aufführungen von «Mysterium Montis» geplant. Die Uraufführung findet demzufolge im Arlesheimer Dom statt – am Samstag, 28. Mai, 19.30 Uhr. Der zweite Spielort ist die Stiftskirche Einsiedeln (Samstag, 4. Juni, 20.15 Uhr). Dieser Raum, welcher bekanntlich ganz anders konzipiert ist als der Arlesheimer Dom, wird an den choreografischen Ablauf andere, neue Anforderungen stellen. Dasselbe gilt für den dritten Aufführungsort, die Kollegiumskirche in Brig, am Sonntag, 5. Juni, 17 Uhr. (Andreas Faessler)