Passionsmusik über die Stilgrenzen hinweg

Musik

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Das Passionskonzert in der sehr gut besetzten St.-Johannes-Kirche vereinigte die Chöre Cantori contenti und Matthäuskantorei Luzern mit der Zuger Sinfonietta. Es war ein stimmungsvolles Abschiedskonzert für den scheidenden Dirigenten Stephen Smith.

Zug – «Mitten wir im Leben sind» – dies war nicht nur Titel der ersten Motette, sondern auch Motto für das Passionskonzert mit Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Maurice Duruflé. Beide Komponisten übernahmen in den gespielten Werken Elemente früherer Epochen, so dass das Publikum eigentlich eine Spannbreite von der Gregorianik des Mittelalters bis an die Schwelle der Moderne erlebte. Die ­Cantori contenti und die Matthäuskantorei Luzern hatten zunächst allein geprobt. Die gemeinsame Leitung durch Stephen Smith sorgte aber dafür, dass beide Klangkörper – zusammen etwas über 50 Mitwirkende – die gleichen Stilprinzipien befolgten und die gemeinsamen Proben wohlvorbereitet beginnen konnten. Schwieriger war die Zusammenarbeit für die Zuger Sinfonietta, die Solistinnen und die Organistin, mit welchen in kürzester Zeit ein gemeinsames Konzept zu finden war. Über das musikalische Können aller Mitwirkenden hinaus gelang ein sicheres Zusammenspiel des grossen Klangkörpers, der sich auch der Akustik der gut besetzten Zuger Johanneskirche sehr gut anpasste. Erstmals vereinigten sich alle Mitwirkenden für die Choralkantate «Wer nur den lieben Gott lässt walten», wo sich Mendelssohn stark am gleichnamigen Barockwerk von Johann Sebastian Bach orientierte. Gemeinsam war die zentrale Stellung des Chorals mit der Verteilung der Strophen auf verschiedene dem Chor anvertraute Sätze. Ohne Begleitung gestaltete der Chor die achtstimmige Motette «Mitten wir im Leben sind» mit tadelloser Intonation, sicherem Zusammenklang und gutem Gleichgewicht – bis auf wenige Stellen im Fortissimo, wo der erste Sopran allzu stark dominierte. Als Auftakt spielten die Streicher einen Sinfoniesatz des damals Vierzehnjährigen, der im gewählten Tempo der fünfstimmigen Fuge bereits an alle Register hohe Anforderungen stellte. Eine schlechthin grossartige Leistung erbrachte die Sopranistin Gabriela Bürgler mit dem «Salve Regina» und der Arie aus der Choralkantate: Neben perfekter Gestaltung und Diktion überzeugte ihr für eine sitzende Sopranistin erstaunliches Volumen auch in der Mezzosopran-Lage.

Nach Mendelssohn folgten in der zweiten Konzerthälfte drei Werke des weniger bekannten Nachromantikers Maurice Duruflé (1902–1986). Schon in der ­Einleitung hörte man bei vier Motetten starke Bezüge zu den altkirchlichen gregorianischen Choralmelodien, die allerdings fast immer umgestaltet wurden. Duruflé ist einer der wenigen anerkannten Komponisten, die auch das Vaterunser in der unveränderten biblischen Fassung vertont haben. Als schlichter, tonlich nur wenig erweiterter Choralsatz, erklang eine ausgezeichnete Interpretation. Den Abschluss und gleichzeitig Höhepunkt bildete aber doch das Requiem, Opus 9. Mit Ausnahme des «Pie Jesu» – glutvolle Interpretation durch die Altistin Carmen Würsch – war der ganze Notentext dem Chor anvertraut, wobei sich die einzelnen Register für die psalmodierenden, aber doch rhythmisch genau auskomponierten Sequenzen abwechselten. Den Kontrast bildete der solistisch gestaltete Orgelpart. Alexandra Weidlich unterstrich den ohnehin tief gesetzten Notentext noch durch dumpfe obertonarme Registrierung. Wenige Einsätze von Trompeten, Harfe und Pauken ergänzten den Orchesterklang. Nach der eindrücklichen Gesamtleistung dankte das Publikum mit dem langen und kräftigen Applaus vor allem dem scheidenden Dirigenten, der als Epilog das Agnus Dei des Requiems erklingen liess. (Jürg Röthlisberger)