Viele Amateure und wenige Profis

Musik

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Vor zahlreichem Publikum hat das Kammerorchester zwei Werke der Wiener Klassik gespielt. Unter der Leitung von Manuel Oswald gelang in der Kirche St. Martin ein stimmungsvoller Gesamtklang.

Baar – Es war eine geschickte Wahl, das Potpourri, Opus 94, für Viola und Orchester von Johann Nepomuk Hummel neben die 1775 vollendete Sinfonie KV 201 in A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart zu stellen. Hummel war beim Tode seines Lehrers erst 13 Jahre alt, aber er ist trotzdem jener Schüler, dem Mozart wahrscheinlich am meisten mitgeben konnte. In dem um 1820 geschriebenen Werk erklingt immer wieder die Grundstimmung des Wiener Klassikers. Zusätzlich werden von der Solostimme verschiedene Melodien aus Mozarts damals schon weltbekannten Opern zitiert. Das Werk Hummels bestand vor allem darin, diese durch zahlreiche Erweiterungen in eine virtuose Satzfolge umzuformen. Als Kontrast erklang dazwischen eine solistisch besetzte vierstimmige Fuge im Stile von Johann Sebastian Bach, den Mozart auch verehrte.

Souverän gestaltete die Solistin Lea Boesch den technisch anspruchsvollen, aber den Klangeigenschaften der Viola gut angepassten Solopart – ein Glücksfall in einer für die damalige Zeit doch recht seltenen Musikgattung. Ebenbürtig erschien die Leistung des Orchesters. Sicher half dabei die vorangegangene Zusammenarbeit zwischen Dirigent und Solistin im Rahmen der «Camerata variabile». Auch spürte man durch die ganze Partitur den Komponisten als Praktiker. Er liess der Solistin stets Freiraum, und die wenigen sinfonischen Höhepunkte mit Verstärkung durch neun Bläser und Pauken standen stets zwischen den solistischen Einsätzen. Was aber die fast 40 Amateurstreicher zu leisten hatten: eine sorgfältige Begleitung mit klarem Zusammenspiel und sicherer Intonation. Trotz unterschiedlicher technischer Voraussetzungen war es gelungen, in zahlreichen Proben – und nicht zuletzt auch durch viel privates Üben zwischendurch – einen abgerundeten Gesamtklang zu schaffen.

Ein Gleichgewicht dank Oswald

Einige von Orchestermitgliedern vorgelesene kurze Briefstellen Mozarts bildeten den Auftakt zum zweiten Teil. Mozart komponierte seine Sinfonie KV 201 in jener Zeit, als er noch im Dienste des Erzbischofs von Salzburg stand, gleichzeitig aber bereits von einem Leben als freier Künstler in Wien träumte. Schon in der frühen Mozart-Sinfonie spürte man den Unterschied zwischen dem Genie und dem auch von Mozart anerkannten Talent Hummels, der aber mit seinen späteren Kompositionen nicht die gleiche Absolutheit erreichte.

Unter der Leitung von Manuel Oswald entstand jenes so wichtige Gleichgewicht zwischen der inneren Spannung und der klaren Gesamtform, das bei diesem Komponisten nie banal erscheint. Durch eine relativ bemessene Tempowahl gelang eine sichere Intonation und mit wenigen Abstrichen (Piano-Einsätze des ersten Satzes) auch ein präzises Zusammenspiel. Im grossen voll besetzten Kirchenraum fast zerbrechlich erschien der zweite Satz mit dem Sordino-gedämpften Ton der ersten Violinen, sodass der Streicherklang an wenigen Stellen sogar von den nur vier Bläsern etwas übertönt wurde. Absolut werkgerecht und intensiv geübt erschienen die beiden Schlusssätze, das Menuett mit wuchtigen Einsätzen der Bläser und stilsicherer Distanz zum Trio, das Allegro con spirito mit prägnanten und klar strukturierten raschen Tonwiederholungen, welche schliesslich organisch in den Schluss mündeten.

Mit ziemlich genau 60 Minuten effektiver Spieldauer spürte man bis zum Schluss bei den Mitwirkenden und im Publikum volle Konzentration. Trotz langem und intensivem Schluss­applaus wurde auf eine Zugabe verzichtet. (Jürg Röthlisberger)