Als Staatenloser gegen die Polizeigewalt

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Bei den Zürcher Jugendkrawallen war Fotograf Klaus Rózsa personifiziertes Feindbild der Behörden. Fliz zeigt ein packendes Filmporträt über den unerschrockenen Aktivisten.

Zug – Es waren die Geschehnisse um die Anti-AKW-Demos oder die Globus- und Opernhaus-Krawalle im Zürich der 60er- und 80er-Jahre, bei denen der Rechtsstaat Schweiz ein besonders hässliches Gesicht zeigte. Das Vorgehen der Polizeikräfte etwa gegen die demonstrierende Jugend, die ihren Raum einforderte, war geprägt von roher Gewalt, Willkür und Unterdrückung. Und mittendrin: der unerschrockene Fotograf Klaus Rózsa, welcher mit seiner Kamera die gnadenlosen Polizeiakte festhielt. Um seine Person und die tragischen Hintergründe seiner Familie dreht sich der packende Dokumentarfilm «Staatenlos – Klaus Rózsa, Fotograf» von Erich Schmid, den der Fliz Filmclub kommenden Montag im Kino Gotthard vorführt.

Rózsa entstammt einer von Unterdrückung und Verfolgung gezeichneten jüdischen Familie aus Ungarn, welche den Holocaust überlebt hat. 1956 floh er als knapp Zweijähriger nach dem gescheiterten Ungarnaufstand mit Eltern und Geschwistern illegal in die Schweiz und war von da an faktisch staatenlos. An seiner Schule in Zürich erfuhr er weiterhin Fremdenhass und Antisemitismus. Geprägt von der schicksalhaften Geschichte seiner Familie, verabscheute Rózsa jegliche Form staatlichen Unrechts und betätigte sich in Zürich aktivistisch, hauptsächlich als Fotograf.

«Wir wollten unsere Kinder davor bewahren, etwas wie wir erleben zu müssen», hatten Rózsas Eltern noch gesagt. Doch in Zürich kam es für den Jungen anders: Wegen seiner entlarvenden Bilddokumente über die brutalen Polizeieinsätze gegen die Zürcher Jugendlichen war Rózsa für die Behörden ein rotes Tuch. Observiert vom Staatsschutz und wiederholt schikaniert, landete Rózsa mehrmals aus fadenscheinigen Gründen in «Präventivhaft», erlitt dabei – wie viele andere Aktivisten auch – erhebliche Gewaltanwendung durch die Zürcher Polizei. «Klaus war halt der Unerschrockenste von allen», erinnert sich im Film sein damaliger Anwalt. «Darum wollte man ihn mit Prügel und Drohungen ausschalten.» Dreimal wurde Rózsas Antrag auf Einbürgerung abgelehnt. Rózsa verliess 2008 die Schweiz und ging zurück nach Ungarn. Als er einige Zeit später Freunde in Zürich besuchen wollte, Zeuge eines Polizeieinsatzes wurde und fotografierte, erlebte er auf traumatisierende Weise noch einmal genau das, was ihm Jahre zuvor in der Limmatstadt widerfahren war.

Erich Schmid legt mit «Staatenlos» ein aufwühlendes, einfühlsames Filmdokument vor über einen kämpferischen Menschen, der sich gegen staatliches Unrecht zeitlebens eingesetzt hat. Der Film zeigt auch schonungslos auf, dass selbst das Rechtssystem in der vermeintlich so sauberen Schweiz durchaus Züge von Terror aufweisen kann, wenn es drauf ankommt. «Vergleichbar mit der Militärjustiz in der Türkei», lautet in der Doku ein vernichtendes Urteil von Rózsas damaligem Anwalt. «Staatenlos» porträtiert das bewegte Leben des Klaus Rózsa und deckt Behördenwillkür auf, eklatante Verlogenheit, Feigheit und zuweilen sadistische Polizeigewalt, wie man sie ansonsten nur aus «Schurkenstaaten» kennt. Der Film macht traurig – und wütend. (Andreas Faessler)

Hinweis
Fliz zeigt «Staatenlos» am Montag, 12. Juni, um 20 Uhr im Kino Gotthard, Zug. Regisseur Erich Schmid ist als Saalgast anwesend.