Die Hysterie im Supermarkt des Lebens

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Der Theaterclub der Kantonsschule probt das beliebte zeitkritische Stück «Hysterikon». Am kommenden Freitag wird Premiere gefeiert.

  • Haben eine intensive Premierenwoche vor sich: die Schüler des Theaterclubs bei einer Probe. (Bild: Werner Schelbert)
    Haben eine intensive Premierenwoche vor sich: die Schüler des Theaterclubs bei einer Probe. (Bild: Werner Schelbert)

Menzingen – «Die Schüler an unserer Schule sind sehr brav. Im Theaterspiel müssen sie aus sich herauskommen und lernen, sich zu öffnen und starke Gefühle zu zeigen. Herumschreien zum Beispiel.» So beschreibt es Lukas Nagel, einer der Lehrer, der an der Kanti Menzingen das Freifach betreut und für alles Administrative zuständig ist, während seine Kollegin Fabienne Good sich um Bühnenbild und Kostüme kümmert.

Die Regie aber verantwortet Theaterpädagoge Matthias Werder, und er führt an diesem Samstagnachmittag Noah, Michael, Svenja, Seraina, Naomi, Shania, Alice, Laura, Marilyn und Manuel, die sich freiwillig für ein Theaterjahr eingeschrieben haben, durch ihre erste Durchlaufprobe.

Käuflich sind auch Lebensentwürfe

Der Ort der Handlung ist ein moderner Supermarkt. Zwei Verkäufer laufen hin und her, bauen Kisten zusammen, verschieben Regale. Viele verschiedene Figuren betreten den Laden, prüfen die Ware, wählen aus, packen weisse Dosen oder rote Kaffeekannen in ihre Einkaufswagen, reden miteinander, geben sich dadurch zu erkennen – ihre Bedürfnisse und Obsessionen. Konsum ist eine sehr emotionale Sache, das begreift man als Zuschauer sofort, denn käuflich sind in diesem Warenhaus nicht nur Seife, Joghurt, Spaghetti, Tomaten oder Milchreis, sondern auch Lebensentwürfe: Karrieren, die grosse Liebe, blonde Son- derangebote, Intrigen, Verrat. «Wenn ich mich nur einmal entscheiden könnte!», seufzt eine Frau. Abgerechnet aber wird am Schluss, und jede verpasste Gelegenheit wird auf der Life-Card abgebucht.

Nach der Pause in der Mitte der Aufführung wird der Zuschauer gar gefragt, was die erste Hälfte denn wert sei – in Geld? Und wie viel das Bühnenmaterial wohl gekostet habe? Und wie viel übrig bleibe für die zweite Hälfte? Ein Mann in Karojacke taucht auf, reiht Wörter, die Konsum­güter bezeichnen, aneinander, verballhornt sie, verhaspelt sich, sein Sprechen wird wirr und unverständlich und – verstummt, indem er sich an den Kopf greift. Immer öfters taucht ein schwarzes Mädchen auf. Die Handlungen überschlagen sich zunehmend, und die Hysterie des Shoppingzwangs kulminiert schliesslich in der «Hysterikon»-Szene.

Feiner Humor, der nicht auf explizite Lacher abzielt

Die deutsche Autorin und Regisseurin Ingrid Lausund, bekannt als Drehbuchverfasserin der Fernsehserie «Der Tatortreiniger» (erschienen unter ihrem Pseudonym Mizzi Meyer), schrieb dieses sehr aktuelle, konsumkritische Episodenstück 2001. Es ist seither Dutzende Male aufgeführt worden von professionellen Bühnen und Laienbühnen. Der Theaterclub Menzingen spielt es nun ebenfalls nach in gutem Hochdeutsch und mit Ambitionen: Die Figuren sollen vor allzu grosser Klischierung bewahrt bleiben, zu Individuen werden, damit der Zuschauer sich identifizieren kann und zum Nachdenken angeregt wird. Dazu dient auch der Humor, der nicht auf explizite Lacher abzielt, sondern fein bleiben soll. Die Schüler und Schülerinnen, unter ihnen auch Nicola Scotoni, der für Licht und Tontechnik verantwortlich zeichnet, sind unter der geduldigen Anleitung ihres Regisseurs ernsthaft und konzentriert dabei. Der Text sitzt noch nicht überall, und sie haben eine intensive Premierenwoche vor sich. Aber wenn gegen Ende der Probe plötzlich einer verzweifelt schreit: «Nehmen Sie die Life-Card zurück, und geben Sie mir mein richtiges Leben!», oder wenn unversehens der Satz im Raum steht: «Gott sucht die Wildnis des Herzens wie eine Oase», dann geht das unter die Haut. (Dorotea Bitterli)

Hinweis

Theaterclub der Kantonsschule Menzingen, «Hysterikon», Aufführungen am 31. März und 1. April, jeweils um 19.45 bis zirka 21.45 Uhr, mit einer Pause. Ort: Turnhalle Schützenmatt, Menzingen. Der Eintritt ist frei, es gibt eine Kollekte.