«Mollies Story muss erzählt werden»

Literatur & Gesellschaft

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«From Dust To Dust» ist eine rührende Widmung der in Zug lebenden Autorin Katherine Anne Lee an ihre Grossmutter. Nun liegt der Erfolgsroman auf Deutsch vor.

  • Die englische Autorin Katherine Anne Lee (38) hat Zug zu ihrer Wahlheimat erkoren. (Bild Werner Schelbert)
    Die englische Autorin Katherine Anne Lee (38) hat Zug zu ihrer Wahlheimat erkoren. (Bild Werner Schelbert)

Zug – Der Roman «From Dust To Dust And A Lifetime In Between» (zu Deutsch «Staub & Sternenstaub – meine Lebensgeschichte») ist die wahre Geschichte der Mollie Cooke, die in einer Kleinstadt im englischen Shropshire geboren wurde und aufwuchs. Sie erlebte zwei Weltkriege, verlor ihren ersten Mann im Zweiten Weltkrieg und musste den Schmerz bewältigen, früh zur Witwe zu werden. Die Geschichte erzählt, wie sie mit ihrem zweiten Mann Bill noch einmal die grosse Liebe erlebt und ihr glückliches Leben durch die Geburt ihres einzigen Kindes Sue Erfüllung findet. Ihre Freude darüber, dreimal Grossmutter zu werden, wird schon bald von dem niederschmetternden Tod ihrer Tochter abgelöst. Krieg, Liebe und viel Trauer also in Lees Buch.

Mollies Geschichte wird in der ersten Person von ihrer Enkelin Katherine Anne Lee erzählt. Der Roman ist eine Liebes- und Kriegserklärung. Eine Liebeserklärung an Lees demente Grossmutter und eine Kriegserklärung an das Vergessen. Mit lebhaften und detailreichen Erzählungen erweckt Lee die junge Mollie zu neuem Leben. Als wollte sie sagen: Mollie hat vergessen, aber alle anderen sollen sich an sie erinnern. So ein Buch macht natürlich auch neugierig auf die Autorin. Wer steckt hinter dem Werk?

Auf dem Weg zum Bestseller

Katherine Anne Lee wirkt im Gespräch mit der «Neuen Zuger Zeitung» erstaunlich unprätentiös; dabei hätte die 38-jährige Autorin Grund genug abzuheben. In England sind ihre Bücher längst nicht mehr nur ein Geheimtipp: Spätestens seit ihr die renommierte «Daily Mail» mit einem ganzseitigen Artikel quasi den Ritterschlag erteilte, reisst man sich in Grossbritannien um die Wahlzugerin. Interviews mit der BBC und dem «Hello!»-Magazin folgten. Dieser Erfolg erstaunt auf den ersten Blick; schliesslich gibt es Geschichten wie diese der Mollie Cooke zuhauf, und manch einer denkt, seine Autobiografie sei spannend genug für einen grösseren Leserkreis. Worin liegt also das Geheimnis der Erfolges von «Staub & Sternenstaub»? Einerseits sicherlich in der Erzählweise: So tragisch die Lebensgeschichte und letztendlich auch das Ende ist, die Autorin wirkt niemals anbiedernd oder pathetisch. Das Erzähltempo ist flott, der feine dramaturgische Aufbau harmonisch; das Buch wirkt durchkomponiert, ist aber niemals konstruiert. Lees Sprache ist verständlich und klar, ohne banal zu wirken, und die Protagonistin wird über kurz oder lang zur Identifikationsfigur für den Leser. Dieser gelungene Mix macht das Buch einzigartig und speziell, das Werk will so gar nicht zu den anderen typischen – und oft geschönten – Biografien passen. Lee: «Mollies Geschichte zu schreiben, gab mir die Gelegenheit, eine letzte Sache für sie zu tun. Ich bin sicher, sie würde vor Stolz strahlen, wenn sie mich mit ihrer Geschichte sehen könnte.»

Übersetzung muss den Ton treffen

Katherine Anne Lee verfasste das 2011 erschienene Buch zuerst in ihrer Muttersprache und schickte das Manuskript an fünf Verlage. Zwei haben sich direkt gemeldet und zeigten Interesse am Buch. «Allerdings waren die Verträge so schlecht, dass ich mir gut überlegen musste, ob ich unterschreiben sollte.» Sie tat es nicht, zu viel bedeutete ihr das Buch, um es einfach so aus der Hand zu geben und alle Rechte abzutreten. Diese Liebe zum Buch, zum Schreiben, die ist in «Staub & Sternenstaub» – nun erscheint es auf Deutsch – spürbar. Auch ihre Liebe zur Sprache wird deutlich. «Ich habe das Buch nicht selbst auf Deutsch übersetzt», erklärt die Autorin. Das habe eine professionelle Übersetzerin gemacht. «Aber natürlich habe ich auch die deutsche Version massgeblich geprägt.» Viele Begriffe funktionieren in der direkten deutschen Übersetzung nicht, daher hat die Autorin auch hier sehr sorgfältig eine Übersetzerin ausgewählt. «Schliesslich musste diese meinen Ton exakt treffen.» Was ganz offensichtlich gelungen ist. Wie sieht denn das Schreiben an sich aus? «Ich bin berufstätig und kann es mir noch nicht erlauben, ausschliesslich zu schreiben. Ich würde dies aber gerne tun. Meistens ziehe ich mich in ein Café zurück und sitze dort viele Stunden, um zu schreiben.» Oft geschieht dies in Flims. «Schreiben ist eine einsame Sache, da bin ich froh, wenigstens physisch noch andere Menschen um mich zu haben», erklärt Lee.

Geschichte geht nahe

Das Schreiben von «Staub & Sternenstaub» war für Lee sowohl eine schmerzhafte wie auch kathartische Erfahrung. Die Trauer über den frühen Tod ihrer Mutter, der für Mollie den Tod ihrer einzigen Tochter bedeutete, verband die beiden bis zum letzten Tag. «Über den Tod meiner Mutter zu schreiben, war wirklich hart, aber das ganze durch Mollies Augen zu sehen, gab mir eine ganz andere Perspektive.» Dennoch; einige Passagen im Buch sind starker Tobak. «Manche Leser schreiben mir, dass sie das Buch für eine Weile beiseitelegen mussten, weil ihnen die Geschichte von Mollie so naheging», so die Autorin. Anne Katherine Lee wirkt im Gespräch entspannt, bestellt sich noch einen Tee. «Oft werde ich gefragt, ob ich einen literarischen Anspruch an meine Bücher habe (in England ist bereits das neue Buch ‹The Life And Dreams Of Pimientos De Padrón› auf dem Markt). Dabei ist die Definition von ‹literarischem Anspruch› ja eine individuelle. Mein Anspruch an meine Bücher ist letztendlich, in irgendeiner Form ‹Liebe› zu geben. Wenn mir das gelingt, habe ich viel erreicht.» (Haymo Empl)

Hinweis
«Staub & Sternenstaub – meine Lebensgeschichte» (Deutsch) von Katherine Anne Lee, 432 Seiten, ISBN 978-3-9524438-3-5, 25 Franken.
Ab Donnerstag überall im Handel erhältlich.