Zum Hauptgang gibts Toleranz

Dies & Das

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Essen unter Freunden – in Zug ist dies im Rahmen eines Projekts möglich. Am Tisch sitzen mitunter ungewöhnliche Gäste.

  • Michael Tesfay (links) und Gäste gestern beim Mittagessen am Table of Tolerance im «Podium 41» in Zug. (Bild Patrick Hürlimann)
    Michael Tesfay (links) und Gäste gestern beim Mittagessen am Table of Tolerance im «Podium 41» in Zug. (Bild Patrick Hürlimann)

Zug – In Zeiten von erstarkendem Populismus, grassierender Xenophobie und zunehmendem Ich-Fokus klingt ein Begriff wie Toleranz wie eine Farce, etwas, das nur dauernd gefordert wird, ohne zu geben. Wie kann man also wieder zurückfinden zur Toleranz im besten Sinne des Wortes? Durch Gespräche und Austausch – bei einem Essen wie unter Freunden.

Als Begleitprojekt zum Ship Of Tolerance, einem Kunstprojekt von Ilya und Emilia Kabakov, das seit Anfang September auf dem Zugersee schwimmt, gestaltete das Künstlerpaar zusammen mit Arbeitern der GGZ@work und dem Kunsthaus einen Table of Tolerance in Schiffform. Gefertigt aus den Holzresten eines Schiffes, steht der Tisch mit seinen stattlichen acht Metern Länge im Garten des «Podiums 41» in Zug. Fünf Gäste werden während eines Monats jeweils donnerstags an diesem Tisch Platz nehmen und in einem Mittagsgespräch ihre ganz eigenen Toleranzerfahrungen und Interpretationen mit den Mitessenden teilen. Den Auftakt der Reihe machte vergan­gene Woche der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller. Gestern nun nahm einer Platz, «der zwar nicht prominent ist, sich dafür aber prominent über Toleranz äussern kann», so Pete Bürki von der GGZ, der den Anlass moderierte.

Vom Bierbrauer zum Flüchtling

Dieser Jemand ist Michael Tesfay, Bierbrauer und Vater von fünf Kindern. Tesfay floh vor drei Jahren aus Eritrea in die Schweiz. «Toleranz bedeutet für mich Offenheit. Offenheit für andere Ansichten und Meinungen, für andere Menschen», so Tesfay, der sich neben Deutschkursen auch als Aufsichtsperson in einem Asylheim engagiert und in der Betreuung unbegleiteter geflohener Kinder und Jugendlicher mitwirkt. Eine Toleranzerfahrung sei für ihn die Einschulung seiner Kinder in Menzingen gewesen: «Wie sie trotz anfänglicher Skepsis in den Klassen aufgenommen wurden, ist für mich Toleranz. Ich bin sehr dankbar dafür.»

Der Table of Tolerance bietet Platz für rund 20 Personen – an diesem Donnerstagnachmittag ist er voll. Die bunt gemischten Mittagsgäste stellen Tesfay Fragen und diskutieren auch untereinander über Toleranz im Alltag, im Arbeitsumfeld, in der Politik.

Dass der Table of Tolerance ge­rade im «Podium 41» steht, ist kein Zufall: «Dieser Ort stellt ein Gegengewicht zum manchmal als elitär betitelten Kunsthaus dar», erklärt der Direktor des Kunsthauses Matthias Haldemann. «Beides sind Orte mit Schwellenangst, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch auf ihre jeweils eigene Art Toleranz einfordern.» Doch was ist sie nun, diese Toleranz, von der alle reden? Michael Tesfay hat auf diese Frage seine eigene Antwort gefunden: «Wenn ich Menschen über Toleranz sprechen höre, da ist vieles schwarz-weiss. Handle ich aber tolerant im Alltag, dann erlebe ich diesen wie einen Regenbogen in all seinen Farben.» (Natalia Widla)