Ein Kunstprojekt als Gegenentwurf zur Smart City

Kunst & Baukultur

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Im Rahmen der Ausstellung «Helle Kammern» diskutierten Künstler Sandro Steudler und Stadtarchitekt Christian Schnieper in der Galerie Malte Frank über die Chancen und Gefahren der Digitalisierung.

Zug – Wer im vergangenen Jahr im Zeitraum von Ende Oktober bis Dezember an der Zuger Seepromenade flanieren ging, konnte dort einen Kubus des Künstlers Sandro Steudler bestaunen. Dieser Kubus, genannt der «Findling», in Anlehnung an die Steine aus der Gletscherzeit, steht nicht für sich allein, sondern ist Teil eines künstlerischen Projektes, an dem Steudler seit 15 Jahren arbeitet. Anlässlich seiner Ausstellung «Helle Kammern» in der Galerie Malte Frank unterhielten sich Steudler und Stadtarchitekt Christian Schnieper vor einem interessierten Kreis über Sinn und Unsinn der Digitalisierung.

Die Wände der Galerie zierten ausgewählte Bilder des Kunstprojektes, auf denen unter anderem zwei karge unterirdische Betonhallen zu sehen waren. Zwischen 2003 und 2005 hat Steudler diese Betonhallen entdeckt während einer Untergrundbegehung. «Im Rahmen der Bewegung ‹Urban Exploring› sucht man innerhalb der durchökonomisierten Stadträume ganz bewusst nach Orten, die nicht besetzt sind, die einen gewissen Abenteuerfaktor haben», so Steudler.

Schnieper zeigte sich fasziniert von diesen verborgenen Räumen. Diese seien für die Hochbauer der Stadt Zug enorm wichtig. «Sie ermöglichen und verhindern, den Stadtraum wirklich frei zu gestalten, weil die Realität des Stadtraumes im Untergrund liegt», sagte er.

Wenn Maschinen kommunizieren

Bald kam man auf einen in der Galerie stehenden hüfthohen Papierstapel aus rund 9000 Seiten zu sprechen. Auf diesem war der Code zur Kommunikation zwischen zwei Maschinen abgebildet, die miteinander im Rahmen eines 3D-Druckes kommunizierten, um ein, ebenfalls ausgestelltes Edelstahl-Modell von Steudlers Gedankengebäude zu fabrizieren. Dieses freihängende Modell gleicht einem Zoo aus Stangen, die Kunstwerke wie den Findling in Miniaturform, Räume oder Häuschen verbinden. Seit 2003 entwickelt sich das Kunstwerk, das Steudler als «Der Bau» bezeichnet, kontinuierlich weiter.

«Von Crypto-Valley bis Digital-ID, die Smart City ist für Zug ja beinahe ein Identitätsfaktor geworden», stellte Schnieper fest, «und dieser Stapel ist ja nicht eine Aufzeichnung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, sondern zwischen zwei Maschinen.» Für ihn stelle sich da die Frage: Wo fängt die Unkontrollierbarkeit an?

Als Mahnmal vor der Digitalisierung wollte Steudler daraufhin sein Werk nicht verstanden wissen, er sei «vorsichtig optimistisch». Er räumte aber ein, dass ihn punkto Digitalisierung schon gewisse Sorgen plagten. Er denke da etwa an Versicherungen, von denen man künftig aufgrund algorithmischer Vorgänge ausgeschlossen werden könne. «Mit Daten wird ja häufig die Transparenz verbunden, vielleicht der gläserne Mensch», so Steudler. Der Findling repräsentiere aber eine Abhängigkeit davon, wo sich die Lichtquelle befinde, wo sich der Betrachter befinde. Der Bau ist für Steudler ein Versuch, mit diesen Intransparenzen, mit dem Versteckten zu arbeiten. Der Bau ist labyrinthisch, vielleicht auch geheimnisvoll. Der Untergrund behält dieses Geheimnishafte, weil es sich dem Blick häufig entzieht. «Da verstehe ich den Bau in weiten Bereichen als explizite Gegenformulierung zur Smart City», so Steudler. Inspiriert dazu habe ihn Franz Kafkas Werk «Der Bau», das den vergeblichen Kampf eines Tieres um die Perfektionierung seines riesigen Erdbaues zum Schutz vor Feinden schildert.

Galerist und Gastgeber Malte Frank erkannte daraufhin in Steudlers Schaffen einen dialektischen Ansatz. Tatsächlich spielt Steudler in seinem Werk mit den Gegensätzen von Sichtbarem und dem Unsichtbaren, von Oberfläche und Tiefe. Vielleicht aber ist die Oberfläche ja nur das äussere Ende der Tiefe. Und die virtuelle Welt nur eine Ergänzung der physischen Welt?

Schnieper sagte nach dem Gespräch, dass er die Digitalisierung durchaus mit einem gesunden Skeptizismus betrachte. «Auch wenn wir die Stadt der Zukunft künftig mit Virtual-Reality-Brillen visualisieren und erleben können, ist und bleibt der physische öffentliche Raum für uns zentral», sagt er. Auch er versteht die virtuelle Welt als Ergänzung zur physischen. (Christian Tschümperlin)

Hinweis

Die Ausstellung kann nach telefonischer Anmeldung unter 0774121594 weiterhin an der Grabenstrasse 1a in 6300 Zug besichtigt werden.