Stark interpretierte Chormusik der Renaissance

Musik

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Das Ensemble Corund gastierte mit einem Programm von unbegleiteten Singstimmen. Unter der Leitung von Stephen Smith erklangen Werke überwiegend aus dem England des 16. Jahrhunderts.

Unterägeri – Elf Leute präsentierten sich in der voll besetzten Marienkirche Unterägeri als Chor mit lauter voll ausgebildeten und unbegleiteten Stimmen. Eine kreisförmige Aufstellung betonte auch äusserlich die Geschlossenheit des Klangkörpers; aber gleichzeitig führte sie dazu, dass das Publikum den Sopran und den Bass über die ganze Konzertdauer nur von schräg hinten sah. Erstaunlicherweise hatte dies kaum Einfluss auf das klangliche Gleichgewicht und die Sprachverständlichkeit.

Durch das ganze Programm überzeugten eine ausgezeichnete Intonation und eine klare Stimmgebung. Auch sehr kleine Gruppen formte Stephen Smith zu einem richtigen Chor, wobei nur der Alt als Gesamtstimme manchmal etwas zu diskret blieb. In verschiedenen Einsätzen bewiesen die vier Stimmführer Stilsicherheit und gute gegenseitige Abstimmung: Gabriela Bürgler, Sopran, Ursina Patzen, Alt, Zacharie Fogal, Tenor, sowie Thomas Trolldenier, Bass.

Als gewichtigstes Werk erklang die «Western-Wind-Messe» von John Taverner (ca. 1490–1545). Über das Leben dieses Komponisten ist sehr wenig bekannt, über die Entstehung und ursprüngliche Verwendung der aufgeführten Messe gar nichts. Sie gilt aber als eine der ersten Messe-Kompositionen, die sich von den vorgegebenen Themen des Gregorianischen Chorals loslöste, teilweise auch den Text umstellte und häufig weltliche Melodien aus oft recht profanen Volksliedern einbaute.

Alle Stimmen gleichwertig

Die Komposition bewegte sich im Rahmen der in England besonders stark zur Blüte gelangten Renaissance-Polyfonie, welche alle Stimmen grundsätzlich gleichwertig behandelt und noch keinen festen Rahmen mit Hauptthema meist in der Oberstimme und Generalbass kennt. Die zweite Stimme lag nach heutigem Chorverständnis durchwegs relativ tief. Der damalige Alt wurde getreu der wörtlichen Übersetzung («Altus» = «der Hohe») von Männern gesungen. Im Ensemble Corund wählte man übrigens einen Kompromiss mit zwei Altistinnen und einem männlichen Altus-Sänger.

Obwohl die Kompositionsstruktur der «Western-Wind-Messe» für die damalige Zeit sicher als revolutionär galt, wirken heute die unbegleiteten Renaissance-Gesänge in ihrer Struktur als Gesamteindruck recht einheitlich und wenig von der Persönlichkeit des Komponisten geprägt.

So war es kein Problem, vier Messeteile voneinander zu trennen und dazwischen Motetten anderer Komponisten der gleichen Stilepoche zu bringen, nämlich von John Sheppard (ca. 1515–1559), William Byrd (1543–1623), Thomas Tallis (ca. 1505–1585) und Robert Parsons (ca. 1530–1570), alles Namen, die heute nicht mehr sehr bekannt sind. Schon die damaligen Zeitgenossen interessierten sich nicht für die persönlichen Eigenheiten ihrer Tonschöpfer, sodass die meisten Informationen nach dem Tod verloren gegangen sind.

Kürzere Werke fügten sich gut ein

Interessanterweise fügten sich auch kürzere Werke von Benjamin Britten (1913–1976) und Herbert Howells (1892–1983) trotz erweiterter Tonalität geschmeidig in das Programm ein. Als angemessen erwies sich die Idee, in der ersten Marienmotette den halb englischen und dazwischen lateinischen Text auf Chor und Echochor aufzuteilen.

Drei Konzerte mit ähnlichem Programm wurden vom Ensemble als «Münstertour 18/19» bezeichnet. Vielleicht auch, weil die Marienkirche von der Raumgrösse her nicht gerade ein Münster ist, wurde das Programm zusätzlich noch auf den ersten Advent hin angepasst. (Jürg Röthlisberger)