Die «Santa Casa» von Zug

Dies & Das

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Man sieht der Kapelle an der Löberenstrasse ihr aussergewöhnliches Inneres nicht an. Sie birgt ein ganz besonderes Haus, welches einst von Engeln aus dem Heiligen Land «gerettet» worden ist.

  • Das Innere der Loreto-Kapelle ist ein Abbild des «heiligen Hauses Mariens» in Italien. (Bild Maria Schmid)
    Das Innere der Loreto-Kapelle ist ein Abbild des «heiligen Hauses Mariens» in Italien. (Bild Maria Schmid)

Zug – Im Jahre 1244 fiel das Königreich Jerusalem in die Hände der Muslime, nachdem der fünfte Kreuzzug gescheitert war. Der Legende zufolge soll darauf eine Schar Engel das Haus, in der Maria, Muttergottes, aufgewachsen war, mit Josef gewohnt und die Verkündigung des Herrn empfangen haben soll, von Nazareth nach Loreto in der Nähe von Ancona getragen und in Sicherheit gebracht haben.

Das heilige Haus zu Loreto, welches in Wahrheit vermutlich die Stiftung einer Kaufmanns­familie gewesen war und über das ab 1468 die mächtige Wallfahrtsbasilika gebaut worden ist, gilt als der wichtigste Marienwallfahrtsort überhaupt. Seit dem 16. Jahrhundert sind in katholischen Gebieten zahlreiche Kapellen und Kirchen entstanden, die dem «heiligen Haus zu Loreto» respektive «unserer lieben Frau zu Loreto» geweiht sind, sogenannte Loreto-Kapellen und -Kirchen (gelegentlich auch «Loretto» geschrieben). Häufig geht deren Entstehen auf die Wallfahrt eines adligen Pilgers zurück, der die «Santa Casa» besucht und nach seiner Rückkehr in der Heimat eine Loreto-Kapelle gestiftet hat, die in der Regel dem Haus der Muttergottes baulich nachempfunden ist.

Schweizweit existieren über 40 Gotteshäuser mit diesem Patrozinium – im katholisch geprägten Kanton Zug steht jedoch nur ein einziges davon – an der Löberenstrasse. Die Kapelle im nach ihr benannten Quartier sieht von aussen aus wie viele «herkömmliche» ihrer Art des 17. und 18. Jahrhunderts. Das Innere jedoch ist als Nachbildung der «Santa Casa Lauretana» anders als üblich. Dazu später mehr.

Einst befand sich hier oberhalb der Stadt Zugs Richtstätte, das «Galgenfeld». Spätestens seit 1522 ist hier ein der heiligen Katharina geweihtes Kapellchen gestanden. Nachdem diese Kapelle marode geworden war, entschlossen die Zuger um 1703, das bisherige Kirchlein zu renovieren und um eine «Loreto-Kapelle» zu erweitern. Stadtbaumeister Johann Jordan Schell, Besitzer des Galgengrundes, stimmte diesem Ansinnen zu und zeichnete gleich für die Umsetzung verantwortlich. So ist die von aussen nicht erkennbare, 1705 durch den päpstlichen Nuntius geweihte Doppelkapelle entstanden. Der erste, ältere Raum mit quadratischem Grundriss und einem Kreuzgratgewölbe ist nach wie vor der heiligen Katharina geweiht, der dortige Katharinen­altar aus dem frühen 18. Jahrhundert war einst ein Geschenk von Fürstabt Placidus Zurlauben vom Kloster Muri. Die eigentliche «Spezialität» der Kapelle liegt dahinter, im Teil, der 1703 angefügt worden ist: die Nachbildung der «Santa Casa» in Loreto. Auf beiden Seiten des Katharinen­altars führt je ein Durchgang in die fensterlose Loreto-Kapelle, welche die wichtigsten Elemente des Originals in der Basilika zu Loreto aufweist. Das augenfälligste von ihnen ist das blaue Tonnengewölbe mit goldenen Sternen in quadratischen Feldern, was das Firmament symbolisiert. Getragen wird das Gewölbe von Mauern, deren Putz das Sichtmauerwerk der originalen «Casa Santa» imitiert.

Über der hölzernen Trennwand mit Holzgittern schwebt ein wohl in Blech getriebenes Bildnis des Hauses Mariens, wie es von den Engeln getragen wird. In der Kartusche darunter ist zu lesen: Dieser heilige Gnadenort ist die wahre Abbildung des heiligsten Hauses von Nazareth, in welchem der Sohn Gottes ist Mensch worden mit Maria, der reinsten heiligsten Jungfrau, und St. Joseph, seinem Nährvater, etliche Jahr gewohnt, ist von den Engeln hinweggetragen worden, steht jetz und zu Laureten in Welschland. [sic!] Im kleinen Raum hinter der Holzwand steht das eigentliche Heiligtum – die Statue der Gnadenmutter. Sie ist im sogenannten Santo Camino platziert, der Nische, welche den Kamin des Hauses darstellen soll.

Das Erscheinungsbild des Kapelleninneren war nicht immer gleich. Im Verlauf der Zeit scheint die ursprüngliche Ausmalung überstrichen worden zu sein. Erst in den 1950er-Jahren wurde sie im Zuge einer Gesamtrenovation wieder freigelegt. Und als 1964 die Löberenstrasse verbreitert werden musste, verschob man die Loreto-Kapelle um 12 Meter nach Südwest und um 4 Meter nach Südost. 2005 wurde die Loreto-Kapelle an der Löberenstrasse vor allem im Inneren umsichtig restauriert. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut!» gehen wir Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Frühere Beiträge finden Sie online unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut