Von einem, der seinen eigenen Nachruf schreibt

Literatur & Gesellschaft

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Nekrologe sind doch meistens langweilig und beschönigend. Und überhaupt: Warum handeln sie immer von Toten? Der Zentralschweizer Thomas Heimgartner versucht, Abhilfe zu schaffen. Auf sehr amüsante Art.

Zug – Kaspar Kaiser ist ein professioneller Schreiber von Nachrufen. Doch doch, so was gibt es. Wobei der Redaktor der Nekrologe etwa auch in unserer Zeitung die Beiträge in den seltensten Fällen wirklich selber verfasst. Sondern die von Angehörigen der Verstorbenen zugelieferten Texte bereinigt und je nach Bedarf umformuliert.

Kaspar Kaiser indes, Hauptfigur im Roman von Thomas Heimgartner, hat seinen Berufsstolz. Und bedauert, dass er so selten die Nachrufe selber schreiben darf. Denn dann, ja dann würden sie ganz anders klingen als die üblichen biografischen Stereotypen und Lobhudeleien. Sondern lebendiger. Und ehrlicher.

Autor redigierte selber Nachrufe

So macht er sich selbstständig. Wobei seine Schreibwerkstatt für individuell verfasste Nachrufe nicht recht zum Fliegen kommt. Wohl auch, weil die Angehörigen nicht unbedingt die ganze Wahrheit über den Verstorbenen öffentlich gemacht haben wollen.

Der gebürtige Zuger Autor, der in Luzern lebt, kennt sich mit Nachrufen aus. Denn er hat einige Jahre als Redaktor einer Regionalzeitung gearbeitet und dabei auch Nekrologe bearbeitet. Indes ist es eher eine formale Spielerei, dass der Erzähler quasi den eigenen Nachruf schreibt. Was natürlich auf die Schnittstellen zwischen Leben und Tod und zwischen Wahrheit und Fiktion anspielt.

Protagonist springt gleich zweimal in die Reuss

Doch ist die Story auch unabhängig vom erzählerischen Rahmen spannend und unterhaltsam. Kaspar Kaiser ist als Hauptfigur so skurril wie berührend, etwa als er sich mit der wirbligen Sara erstmals in eine echte Liebesbeziehung wagt. In diesem Kontext springt er gleich zweimal in die Reuss: Erstens als er Sara beim ersten Aufeinandertreffen beeindrucken will. Und zweitens, als er sich Jahre später beim vermeintlichen Ende der Beziehung als vermeintlich Ertrunkener aus dem Staub macht. In Wirklichkeit geht es weiter nach Nepal, mit tatsächlich fast tödlichen Folgen.

Aber das ist nur eine der herrlichen Episoden, von denen es in diesen nur 130 Seiten reichlich gibt. Die Lektüre macht Spass und ist ein sprachlicher Genuss. Wobei es zuweilen den Eindruck macht, als traue der Autor seinen Fähigkeiten (noch) zu wenig. So wagt er es zum Beispiel nicht, einen famosen Satz wie «Bei Frauen fühlte ich mich für gewöhnlich in der Vorphase einer Beziehung am wohlsten» einfach stehen zu lassen. Sondern liefert eine Erklärung nach, natürlich witzig. So kann man das Büchlein sommerlich heiss empfehlen. (Arno Renggli)

Thomas Heimgartner: Kaiser ruft nach. Edition Pudelundpinscher, 134 S., Fr. 28.–.