Gerades schafft Krummes

Dies & Das

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Die Wandinstallation am Ende der Metalli-Passage spielt mit der Wahrnehmung des Betrachters. Unmögliches wird dabei nur dem Anschein nach möglich – man muss einfach genauer hinsehen.

  • Hans Jörg Glattfelders Wandinstallation aus emaillierten Stahlplatten im Einkaufszentrum Metalli suggeriert mit geraden Formen einen gekrümmten Raum. (Bild Stefan Kaiser)
    Hans Jörg Glattfelders Wandinstallation aus emaillierten Stahlplatten im Einkaufszentrum Metalli suggeriert mit geraden Formen einen gekrümmten Raum. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Sie ist nicht nur ein Augen-, sondern auch ein Hand­schmeich­ler: Die Oberfläche der sogenannten zweiteiligen Wandgestaltung unter dem gläsernen Portikus am Nordende der Metalli-Passage ist glatt und geradezu zart – ganz im Gegensatz zur porösen Verkleidung des Gebäudes. 48 Stahlplatten, überzogen mit feinstem Email, bilden hier ein auffälliges Gestaltungselement am Bau und nehmen materiell Bezug auf die einstige Email- und Metallwarenfabrik, welche dem 1987 eröffneten ­Einkaufskomplex weichen musste. 

Urheber der im selben Jahr eingeweihten Wandinstallation ist Hans Jörg Glattfelder. 1939 in Zürich geboren, lebt und arbeitet der international tätige Maler und Reliefplastiker seit 1998 in Paris. In der Nachfolge von Exponenten wie Max Bill oder Camille Graeser ist Hans Jörg Glattfelders Kunst dem Konstruktivismus ­zuzuordnen. Angetrieben von ­seinen fundierten wissenschaftlichen Kenntnissen im Bereich Mathematik und Geometrie sucht Glattfelder unter konsequenter Einhaltung der Linearität nach weiteren Darstellungsmöglichkeiten. So hat er mit seinen so­genannten «nichteuklidischen Metaphern» eine eigene Bildform ­kreiert, welche mit ihren widersprüchlichen Elementen vorerst Fragezeichen aufwirft: Mit geraden Linien oder Flächen etwa sucht Hans Jörg Glattfelder die ­Illusion eines gekrümmten Raumes zu erschaffen, was den Betrachter in seiner Wahrnehmung durchaus verunsichern kann. Dabei arbeitet der Künstler mit Farbflächen, unterschiedlich langen Linien und hauptsächlich mit Nichtorthogonalität (keine rechten Winkel), die er vor allem bei den massgeblichen Bildelementen strikt einhält.

Der Künstler geht auf diese Weise unter anderem der Fragestellung nach, ob etwas Krummes gleichzeitig gerade sein kann – die Rationalität auf dem Prüfstand also. Glattfelder experimentiert dabei lediglich mit der Wahrnehmung und macht Unmögliches möglich. Jedoch nur dem Anschein nach, denn begutachtet man seine «nicht-euklidischen Metaphern» aufmerksam aus der Nähe, so erkennt man, dass sämtliche geometrischen «Gesetze» sauber eingehalten sind.

Im Falle von Glattfelders Wandinstallation in der Metalli Zug sind es mehrfarbige nicht­orthogonale Vierecke, welche auf hellblauem Grund «schweben» und durch ihre «Ver­zerrungen» den Eindruck des ­besagten gekrümmten Raumes erwecken. Je vier Stahlplatten – an einer Ecke entweder in Blau, Weiss, Gelb oder Schwarz dreiecksförmig eingefärbt – bilden ein ungleichmässiges Viereck, welches wiederum an eine von oben aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtete, ungleichmässige Pyramide – ebenfalls ein zentrales geometrisches Element in Glattfelders Schaffen – erinnert. Diese Anordnungen von Farbfeldern mit unterschiedlichen Winkeln und Farben schaffen spannungsgeladene Zerrbilder von an sich vertrauten geometrischen Formen, die sich auf diese Weise jedoch zu einem im ersten Augenblick irritierenden Gesamtwerk zusammensetzen.

Die Wirkung von Hans Jörg Glattfelders Kunstwerk in der Metalli Zug ist im Vergleich zum ursprünglichen Konzept ein wenig verlorengegangen: Geplant waren zwei gleich grosse Wandfelder mit je 32 Platten. Anstelle der fehlenden 12 findet sich ein Ladenschaufenster. Die Symmetrie des Gesamtwerkes ist dadurch abhandengekommen. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir ­Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Frühere Beiträge finden Sie online unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut.