Von Schubert bis zu den Koloraturen

Musik

,

Der Veranstaltungsort des vierten «Sommerklänge»-Konzerts lag am Ägerisee. Das Motto «Wassermusik» bezog sich gleichzeitig auf das Sololiedprogramm für Sopran und Klavier.

  • Sopran Andrea Brown und Pianist Benjamin Engeli in der Kapelle des Zentrums Ländli. (Bild Stefan Kaiser)
    Sopran Andrea Brown und Pianist Benjamin Engeli in der Kapelle des Zentrums Ländli. (Bild Stefan Kaiser)

Oberägeri – Andrea Lauren Brown, Sopran, und Benjamin Engeli, Klavier, sind schon wiederholt im Kanton Zug aufgetreten. Ein zahlreiches Publikum erwartete sie in dem halb als Kirche und halb als Versammlungslokal benutzten Saal des Zentrums Ländli in Oberägeri. Wiederum erlebte man eine etwas trockene Akustik in dem architektonisch etwas zu niedrig gebauten Raum. Dies ermöglichte dafür bis in die hintersten Reihen den Nachvollzug der vielen in sich stimmigen Einzelheiten.

Obwohl Franz Schubert bis zu seinem frühen Tod nicht einmal 20 Jahre als Komponist aktiv sein konnte, hat er beim Sololied nach Formenvielfalt und Erfindungsreichtum so viel geleistet wie kaum ein anderer. Die Auswahl mit dem Gesamtthema Wasser mischte neun Gesänge unterschiedlicher Entstehungszeit mit einem gewissen Schwerpunkt auf Strophenliedern und der ABA-Form. Vom ersten Takt an gelang eine sichere Übereinstimmung zwischen den beiden Mitwirkenden nicht nur im dynamischen wie im metrischen Bereich; man fand auch grosse Gemeinsamkeit in der Werkauffassung.

Sofortiger Kontakt zum Publikum

Andrea Lauren Brown beeindruckte in gleicher Weise durch eine tadellose Intonation, wie durch eine präzise und trotzdem nicht pedantische Stimmführung. Als gebürtiger Amerikanerin gelang ihr eine durchaus muttersprachlich erscheinende deutsche Aussprache mit entsprechend guter Verständlichkeit. Etwas flach wirkten die offenen Vokale in den mittleren und tieferen Lagen, was man ihr neben der sehr differenzierten Gestaltung gerne nachsah. Sie fand sofort den Kontakt zum Publikum. Sie betonte durch Mimik und Gestik vor allem die positiven lebensbejahenden Aspekte der Texte unter feiner Abstufung der einzelnen Strophen. Nur an wenigen Stellen – etwa in der dritten Strophe «Am Meer» oder am Ende des Fischerliedes nach Goethe – dominierten tragische Momente.

Selbst bei zwei Solostücken von Debussy und Liszt war dem Pianisten Benjamin Engeli seine grosse Erfahrung als Liedbegleiter anzumerken. Die durch starken Pedaleinsatz unterstrichenen Grossformen erinnerten an gesungene Spannungsbögen. Franz Liszt (1811–1886) war selber ein ausgezeichneter Pianist; die abrupten Übergänge zwischen schlichter Liedbegleitung und virtuosen Einwürfen im «Loreley»-Lied hätten ihm sicher gefallen. Nach drei Respighi-Liedern und der Steigerung mit einem extremen Stimmumfang sowohl für die Solostimme wie für das Begleitinstrument bei Liszt dominierten für Rossini wieder gemütvolle Momente mit eingeschobenen Koloraturen. Am Schluss seines wechselvollen Lebens arbeitete er lieber als Koch feiner Speisen denn als Opernkomponist.

Wie der Historiker Renato Morosoli als lokaler Kenner ausführte, entstand das Kurhaus Ländli 1911 auf Initiative der norddeutschen Protestantin Minna Popken. Sie wollte sich eigentlich von der Welt zurückziehen; mit einer Kombination zwischen Kurmethoden und evangelikalen Prinzipien hatte sie aber so viel Erfolg, dass daraus für kurze Zeit ein blühendes Zentrum entstand. Das Werk wurde vom Diakonieverband weitergeführt; die allgemeine Überalterung der Gemeinschaft zwang aber dazu, 2016 den Kurbetrieb einzustellen. Das Konzertmotto «Wassermusik» wurde eigentlich nicht ganz erfüllt. Die weltbekannte Wassermusik hat Georg Friedrich Händel im Jahr 1717 für Orchester geschrieben, und es gibt keine brauchbare Bearbeitung für Solosopran und Klavier. Als Zugabe darum wiederum nur eine Annäherung: In der weltbekannten «Forelle» von Schubert empört sich der Betrachter zwar über die Grobheit des Fischers, aber er unternimmt nichts dagegen. (Jürg Röthlisberger)