Ein Ständerat liest vor

Literatur & Gesellschaft

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Der neue Zuger Ständerat Matthias Michel wurde von Thomas Brändle eingeladen, inspirierende Literatur vorzustellen.

Unterägeri – Der Literaturwissenschaftler Peter von Matt betonte im Jahr 2017 in einem Gespräch: «Die Literatur kann im Gegensatz zur schematischen Sprache der Politik die Kompliziertheit der Welt aufzeigen». Gut, man kann ohne weiteres behaupten, dass seit Dürrenmatt und Frisch die Schweizer Literatur mit wenigen Ausnahmen nicht mehr so aufrührerisch ist. Umso wichtiger ist es, zu wissen, ob sich unsere Parlamentarier mit Literatur beschäftigen und sich von ihr inspirieren lassen. Die Frage, ob sich Autoren politisch einmischen sollen wird seit Jahrhunderten rege diskutiert und die Ansicht von Altbundesrat Moritz Leuenberger, dass sich Autoren, die sich politisch einmischen, Politiker sind und nicht Autoren, ist wohl etwas übertrieben. Lukas Bärfuss würde dem wohl widersprechen.

Wichtiger ist sowieso die Frage, ob sich unsere Politiker von der Literatur inspirieren lassen. Gerhard Pfister hat dies vor rund zwei Jahren im Literaturclub des SRF bewiesen und gezeigt, wie belesen er ist und anhand des Buches «Mann ohne Eigenschaften» von Robert Musil betont, dass Literatur besonders für Politiker den Schlüssel zur gesellschaftlichen Realität darstellt.

«Dach-Literatur» wichtig für Innerschweizer

Nun hat der ehemalige FDP-Kantonsrat und ISSV-Autor Thomas Brändle den neuen Zuger Ständerat Matthias Michel zu einem literarischen Abend in seinem Café in Unterägeri eingeladen und ihn gebeten, seinen zahlreich erschienen Gästen aufzuzeigen, welchen literarischen Schätzen er auf seinem Lesetisch Gastrecht gewährt.

Vorab erstaunte seine Auswahl. Natürlich lag sein Schwerpunkt bei Schweizer Autoren, aber der ehemalige Zuger Bildungs- und Volkswirtschaftsdirektor berücksichtige auch die sogenannte «Dach-Literatur», das heisst die Literatur aus dem Dreieck Schweiz, Österreich und Deutschland. Diese Auswahl ist vor allem für die Innerschweizer Literaturszene von entscheidender Bedeutung, denn seit Jahrzehnten sind Innerschweizer Exponenten verschiedener literarischer Vereine an vorderster Front in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit involviert. Als Beispiel sei etwa der in Zug stattfindende Literaturtag «Höhenflug» erwähnt.

Der Abend hat gezeigt, dass Matthias Michel seinen Lesestoff richtig einverleibt, denn nur so kann erklärt werden, mit welcher Begeisterung er aus den Werken vorlas. Wer viele Lesungen besucht, merkte auch, dass es ein anderes Erlebnis ist, wenn ein Autor aus dem eigenen Werk vorliest oder jemand aus Werken anderer vorliest.

Zum Schluss kann vermerkt, werden, dass Zug Politiker hat, die sich von der Literatur zu gesellschaftlich relevanten Themen inspirieren lassen, was vielleicht ein wenig die Offenheit der Zuger Politiker von links bis rechts erklärt.

Für den Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverband (ISSV): Michel Ebinger