«Wiener Klassik pur» – nach der Werkauswahl wörtlich genommen

Musik

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Ein vollbesetzter Lorzensaal, eine mit Daniel Huppert hoch motivierte Zuger Sinfonietta, ein hervorragender Hauptsolist Teo Gheorghiu – was will man mehr?

  • Stand im Zentrum des Interesses: der in der Schweiz aufgewachsene Pianist Theo Gheorghiu. (Bild Werner Schelbert)
    Stand im Zentrum des Interesses: der in der Schweiz aufgewachsene Pianist Theo Gheorghiu. (Bild Werner Schelbert)

Cham – Bei der Werkauswahl wurde das Motto «Wiener Klassik pur» ganz wörtlich genommen: Mit der «Figaro»-Ouvertüre war Wolfgang Amadeus Mozart am 1. Mai 1786 erstmals im Wiener Hoftheater präsent. Ludwig van Beethoven und Franz Schubert griffen vor allem in den späteren Werken oft über die Stilprinzipien über die engere Wiener Klassik hinaus; aber mit den für das Konzert ausgewählten Frühwerken – 2. Klavierkonzert, Opus 19, und 6. Sinfonie, D 589 – blieb man noch im streng klassischen Rahmen.

Für die zweite Saison des Chamer Klassik-Abos hat sich die Nachfrage erfreulicherweise nochmals stark erhöht. So war der Chamer Lorzensaal am Sonntagnachmittag bis auf den letzten Platz besetzt. Und ein weiteres angenehmes Fazit: Durch die zusätzliche Öffnung der Seitenräume und Galerien hatte sich die Akustik nicht verschlechtert. Sie war natürlich etwas trocken; aber das bedeutete beim fast immer klaren und präzisen Zusammenspiel keinen Nachteil.

Orchester als homogener Klangkörper 

Nicht nur in der Mitte des Programms, sondern auch im Zentrum des Interesses stand der ­Auftritt des in der Schweiz auf­gewachsenen, aber heute international bekannten Pianisten Teo Gheorghiu. Das frühe von Beethoven für den Eigengebrauch geschaffene Klavierkonzert enthielt auch mit dem modernen Konzertflügel viele Elemente des historischen Hammerflügels. So beeindruckten die nahtlos perligen und doch nie schwächlich wirkenden Läufe durch den ganzen ersten und dritten Satz. Der Solist fand auch den richtigen Mittelweg zwischen selbstständiger metrischer Gestaltung und präzisem Zusammenspiel mit dem Begleitorchester. In der Handhaltung – sie hätte einem Franz Liszt gefallen – näherte er sich aber doch der Romantik, was dann in den beiden Zugaben – kürzere Solo­stücke von Tschaikowsky und Debussy – natürlich noch besser zur Geltung kam.

Das Orchester wurde von Daniel Huppert als stark homogener Klangkörper geführt. So wurde auch bei den Begleitaufgaben stets mit voller Besetzung gespielt, was aber angesichts der Sicherheit in spannungsvollem Piano- und Pianissimo-Spiel kein Problem bedeutete. Mit D 589 in C-Dur erklang eine Schubert-Sinfonie des knapp 20-Jährigen, welche in ihrer formellen Struktur genau der kürzlich in Zug aufgeführten 3. Sinfonie, D 200, entsprach. Wie Lukas Näf in seinen Einleitungsworten und im Programmtext berichtete, suchte Schubert mit seiner Sechsten damals die Nähe zu Beethoven und zu dem in wenigen Jahren weltberühmt gewordenen Opernkomponisten Rossini. Dies wirkte sich vor allem bei vielen Motiven des vierten Satzes aus.

Die Zuger Sinfonietta hat sich unterdessen so sicher zusammengefunden, dass die einzelnen Mitglieder – vor allem auch die Streicher – schon vor der ersten der wenig zahlreichen Proben wissen, wie die einzelnen Kompositionen zu interpretieren sind, und so wirkte sie durch das ganze Programm in der Werkauffassung sehr homogen. Präzis gelangen die sehr schnellen Sechzehntel-Passagen der Mozart-Ouvertüre, welche auf ihre Weise die verwirrlichen Beziehungen der Opernhandlung vorausnehmen.

Publikum zeigte sich begeistert

Einzelne Ungenauigkeiten im Zusammenspiel zwischen den Bläsern und den hohen Streichern beim ersten Schubert-Satz beeinträchtigten den Gesamteindruck kaum. 

Das Publikum war gestern Abend nicht nur in Scharen gekommen, es zeigte sich vom Gebotenen auch begeistert. So wurde auf die Schubert-Sinfonie noch eine Zugabe angehängt. Obwohl auch Brahms viele Elemente der Wiener Klassik bewahrt und weiterentwickelt hat, wirkte sein Satz aus den Ungarischen Tänzen im stilistisch sonst sehr einheitlichen Programm zunächst wie ein Fremdkörper, was allerdings nur die Puritaner zu stören schien. (Jürg Röthlisberger)