Gestatten: «Wolfgang»

Musik

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Endlich ist das Debüt-Album von Weibello and the Gang da. Es erzählt von guten Zeiten, gewonnenen Battles und der 
Suche nach dem wilden Haufen.

  • Fabian Weibel alias Weibello. (Bild: Rolf Fassbind)
    Fabian Weibel alias Weibello. (Bild: Rolf Fassbind)

Zug (Kanton) – Dieser Artikel ist in der Oktober-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier gibt es das ganze Magazin als PDF.

Hallo, liebe Leser, ich bin Wolfgang. Ich bin das neue Album von Weibello and the Gang, der Zuger Rap-Band. Und das ist meine Geschichte. Am besten fange ich von vorne an. Am Ende werdet ihr verstehen, dass alles daran wichtig war.
Eines der ersten Rap-Konzerte, das Fabian ­Weibel je besuchte, spielte in Baar. Die Zürcher 
Gleis 2 und Wurzel 5 aus Bern traten auf. Fabian stand in der ersten Reihe, noch ohne Bart, aber mit tiefem Blick, mit der Mütze von seinem Cousin und rappte jede Zeile mit. Fan bis ins Mark. Fan von Hip-Hop, Fan von Bass und Fan von guten Lines. Er war dreizehn Jahre alt.
In der Primarschule nahm seine Klasse einmal die Schildbürger-Geschichten durch. Die Schüler sollten sich in verschiedene Figuren hineinversetzen und sich dann in Reimform den anderen vorstellen. Fabians Reime flossen, und er war schon lange vor allen anderen damit fertig, seine Figur vorzustellen. Er war der Clochard. Statt rumzusitzen, half er allen anderen dabei, fertig zu werden. Vielleicht war die Aufgabe mühsam für andere. Bei Fabian ging es wie von alleine.

Jetzt kannst du Rapper werden
Zu Weihnachten schenkten ihm seine Brüder ein Mikrofon. Ein SM 58, eines der Guten. Sie meinten: «Hier, ein gutes Mic, jetzt kannst du Rapper werden.» Also fing Fabian an, über die Beats zu rappen, die sein älterer Bruder auf zwei Turntables zusammenbastelte.
Die meisten Musikkarrieren gehen durch eine Zeit, in der kleine, düstere Bandräume wichtig sind. Bei Fabians Freunden gab es Rap-Poster an den Wänden, viel Rauch im Raum und leere Flaschen. Zwei Turntables und ein Mic für die Freestyles. Viele, ziemlich viel ältere Jungs als Fabian kamen, um dort rumzuhängen. Fabian kam, um zu rappen.

Auf zum Schweizer Meister
Wenig später, da war Fabian Weibel siebzehn, gab es einen Freestyle-Wettbewerb in Zug. Fabian zierte sich. Seine Freunde meldeten ihn an als «Weibello». Weibello ging hin, gewann das Battle in Zug und konnte so im Berner Dachstock an der inoffiziellen Schweizer Meisterschaft in Battlerap antreten. Beim ersten Mal verlor er knapp den Viertelfinal gegen Lo. Beim nächsten Mal, 2013, gewann Weibello alles. Was aus dieser Zeit blieb, sind einige verwackelte Handyvideos mit Freestyles und ein paar Youtube-Videos vom Virus Bounce Cypher, wo Weibello einzelne Parts rappte. Und einen neuen Namen in der Schweizer Rap-Szene. Einen, von dem man sich was versprach.

Aus zwei Songs ein Set gebastelt
Ein anderer Zuger Rapper, Thomahawk, gab kurz darauf 2011 ein neues Album raus und wollte, dass Weibello den Support an seiner Plattentaufe macht. Natürlich gerne, dachte er sich, nur hatte er bloss zwei halbfertige Songs, die da schon etwa vier Jahre alt waren. Er bastelte ein halbstündiges Programm zusammen, aus halbfertigen Songs, Freestyles und sogar ersten Gästen mit Gitarre und Beatbox. Die Leute mochten es.
Immer mehr Gig-Anfragen kamen, meist aus Zug oder Zürich oder dem Bündnerland. Wei­bello lernte den Zuger Musiker Dino Sabanovic kennen. Sie spielten einige Male zusammen, erst versteckt und aus Spass, dann an Kunstausstellungen und kleineren Konzerten, noch immer aus Spass. Sabanovic meinte: «Weibello, was du brauchst, ist eine Band.» Also begann die Formation zu wachsen. Erst zu dritt: Cajon,  Gitarre und Rap. Nach den Auftritten wurde Weibello ab und zu gefragt, wann denn ein Album komme. Er arbeite daran, «guter Wein muss reifen», behauptete er.

Erste Reihe rappt auswendig mit
Als die Anfrage kam, an einem grösseren Festival, das Silo-Festival in Hünenberg, zu spielen, musste eine Entscheidung getroffen werden: Jetzt musste die Band her. Ein wild zusammengewürfelter Haufen Zuger Musiker spielte am Festival. Schlagzeug, Perkussion, E-Gitarre, Bass und Piano. Das war 2016. Und Weibello fühlte langsam den Moment gekommen, das Album tatsächlich in Angriff zu nehmen.
Ende 2017, Weibello and the Gang, der zusammengewürfelte Haufen, ist im Vorbereitungsweekend für die Studioaufnahmen. Gerade wurde wild diskutiert. Die übrigen Musiker sind alle rausgegangen, um eine Pause zu machen. Wei­bello sitzt als Einziger noch im Raum und will hinschmeissen. Der Druck ist riesig. Das Hobby macht ihm fast mehr Sorgen als die Arbeit. Vor dem Weekend hat Weibello auf Social Media Bilder gepostet und ein Album auf diesen Herbst versprochen. Nicht irgendwann mal, nicht vielleicht. Nach all den Jahren muss er den Leuten, die ihn wegen der Youtube-Clips und der verwackelten Handy-Videos im Dachstock bewundern, denen muss er nun ein Album liefern.
Und es muss gut sein. Er schmeisst nicht hin. Vielleicht hätte er, wäre er alleine gewesen. Aber aus dem wilden Haufen ist nach einigen Konzerten und mit dem Studiotermin in Sichtweite eine echte Gang geworden.
Im Februar wird es früh dunkel, draussen liegt Schnee, und Weibello and the Gang haben im Studio in Kriens die Fenster abgedunkelt. Nur zwei Lampen leuchten schwach. Sie spielen «Ohni Reiseplan». Nach den ersten paar Takes haben drei der Jungs Tränen in den Augen. Weibello steht einen Moment still da. «Jungs», sagt er. «Das bekomme ich kein zweites Mal so hin.» Ein One-Take, der genau so auf das Album kommt. Im Sommer spielen Weibello and the Gang am Waldstock-Open-Air in Steinhausen. Weibello steigt ein mit einem Cypher-Part, der war vorher nur als Youtube-Clip online verfügbar. Die erste Reihe rappte jedes Wort mit.
Das zweite Mal im Studio floss es wie von selber.In fast nur einem Tag waren die zwei Songs im Kasten, die Stimmung euphorisch. Das, was kommt, wird gut werden! Das Art-Work fürs Album übernimmt Fabian Weibels Bruder. Auch das erste Video für «Fan sii» schneidet er. Es ist eine Hommage in Bildern an die Zeit von früher bis jetzt. «Ha doch numme welle Fan sii …», singt Weibello im Chorus.

Ich bin die Mütze vom Cousin
Die Beginner rappten einmal «Füchse sind keine Rudeltiere». Also müssen Weibello and the Gang Wölfe sein, denken sie sich. Deshalb heisse ich so: Wolfgang. Aber mein Name ist mehr als ein Wortspiel. Ich bin all die Jahre, vom ersten Konzert bis zum Artwork des Albums. Ich bin die Geschichten hinter den Songs, über Hochzeiten und Todesanzeigen, über diese Generation, die plötzlich Mitte zwanzig verwirrt und ratlos im Leben ankommt. Ich bin das erste Mikrofon, der düstere Bandraum, die Mütze vom Cousin. Ich bin der wirre Haufen, der zu einer Gang wurde, die  immer Erste-Reihe-Fans geblieben sind. Ich bin Wolfgang. Und ich freue mich, euch kennen zu lernen.

(Text: Lionel Hausheer)