Er schickt eine Kuh auf Reisen

Literatur & Gesellschaft

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Der Neuheimer Beat Jossen hat einen besonderen Reiseführer verfasst. Dank seiner Wurzeln ist die Zentralschweiz prominent vertreten.

  • Livia (im Vordergrund), Julia, Alina und Martín (sitzend, von links) sind begeistert vom Buch ihres Grossvaters Beat Jossen. (Bild Matthias Jurt)
    Livia (im Vordergrund), Julia, Alina und Martín (sitzend, von links) sind begeistert vom Buch ihres Grossvaters Beat Jossen. (Bild Matthias Jurt)

Neuheim – Innert weniger Wochen führte eines zum anderen, und am Ende stand ein Buch: In «Lilly, die reiselustige Kuh» reist die Hauptfigur von der Rigi durch alle Schweizer Sprachregionen, um viele der bekanntesten Sehenswürdigkeiten abzugras... oder vielmehr: zu bestaunen. Die Zentralschweiz mit ihren vielen Bergbahnen erkundet sie dabei ausgiebig.

Der Kopf hinter dieser Geschichte heisst Beat Jossen. «Lillys» Liebe zu den Bergen lässt – wie vieles andere im Buch – auf ihn schliessen. Sein Wohnort Neuheim liegt für Zuger Verhältnisse mit 666 Metern über Meer zwar hoch, und man sieht bei guter Sicht sowohl den Säntis als auch die Berner Alpen. Doch das ist kein Vergleich zur bergigen Umgebung, in der Jossen aufgewachsen ist. Er erlebte nämlich mit, wie die Rigi schon in den 1960er-Jahren ein Touristenmagnet war. Daher war es naheliegend, dass Jossen später Tourismus studierte und – nicht mehr auf der Rigi, sondern an verschiedenen Orten auf der Welt – als Reiseleiter tätig war. In den vergangenen Jahren war der 66-Jährige als Organisator von Grossanlässen für Firmen und Privatpersonen ebenfalls weltweit tätig, ehe er in diesem Frühjahr in Pension ging. Die Covid-19-Pandemie und die damit verbundene Reiseverunsicherung halfen ihm dabei, diese Entscheidung zu fällen.

Im Lockdown fand er die Energie zur Umsetzung

Im Schaukelstuhl des Lebensherbsts zu harren, war aber nichts für den 66-Jährigen. Er erinnerte sich an ein Vorhaben, das er vor vielen Jahren in seinem Hinterkopf archiviert hatte: Ein Buch mit den Höhepunkten für Touristen, welche die Schweiz besuchten, herauszugeben. Es sollte nicht einfach ein weiterer Reiseführer mit Fotos sein, sondern ein Werk, welches das Sehenswerte auf spielerische Weise vermittelt.

So viel zur Ursprungsidee. Der Lockdown brachte jedoch eine neue Dynamik mit sich. Beat und Bea Jossen sahen ihre fünf Enkelkinder im Alter von 1 bis 7 nicht mehr. Und so entstand die Idee, ein «generationenübergreifendes» Buch zu gestalten. Der Neuheimer fand ein Illustratoren-Ehepaar aus Rorschach SG, das auf seiner Wellenlänge war. Sie zeichneten Bilder mit dem Wesentlichen und Details. «Die Erwachsenen schauen zuerst auf die Bahnen, die Kinder hingegen sehen zuerst eine Maus im Gras oder den Wassernapf für den Hund», hat Jossen festgestellt. In der Regel erhielt er die neuen Illustrationen freitags und beriet diese über das Wochenende per Videochat mit seinen Enkeln. So entdeckte er sein eigenes Buch mit anderen Augen. «Das gab mir die Energie, weiterzumachen», sagt er rückblickend. Das Resultat erfüllt ihn augenscheinlich selbst mit einer kindlichen Freude.

Neben seinen Enkeln und seiner Frau war auch eine professionelle Texterin beteiligt. Ausserdem hätten seine drei erwachsenen Kinder sich als nützliche Kritiker erwiesen. So wurde Beat Jossen für Zeitgenössisches wie das Gendersternchen sensibilisiert. Überdies gelang es ihm, nicht zu viele Schweizer Klischees zu bedienen. Manche Stereotype liessen sich offenbar nicht verhindern. So messen sich etwa Tessiner Köche an einer «Risotto-Meisterschaft».

Sponsoringangebote habe er ausgeschlagen

Der Erfolg lässt sich sehen. In den ersten zwei Wochen seien gemäss Jossen zu seiner eigenen Überraschung bereits 700 Bücher verkauft worden. Einen Grund dafür sieht er in der coronabedingten Hinwendung der Schweizer zu Inlandsreisen. Verschiedene Verbände und von «Lilly» besuchte Tourismusdestinationen hätten bereits ihr Interesse an dem Buch bekundet. Es habe auch Sponsoringanfragen gegeben, die er jedoch rundweg ablehnte. «Ich wollte mich nicht vereinnahmen lassen», erklärt er.

Beat Jossen hat schon ein eigenes Folgeprojekt im Kopf. Als Nächstes könnte «Lilly» unbekanntere Orte in der Schweiz besuchen, wie etwa den Sihlsprung, der nahe Neuheim liegt. «Eigentlich wollte ich das erste Buch schon dahingehend ausrichten», sagt Jossen, «aber dann hätte es wahrscheinlich keine grosse Verbreitung gefunden.» Nun hofft er, dass seine Figur eine gewisse Bekanntheit erlangt, die einem Nachfolgewerk helfen würde. Es steht ausser Frage: Die reiselustige Kuh hält ihren Schöpfer weiter auf Trab. (Raphael Biermayr)

Hinweis
Das Buch ist über die Website www.lillycow.ch zum Preis von 29 Franken zuzüglich 5 Franken Versandkosten erhältlich.