Der Bezug zu Nähe und Ferne
Literatur & Gesellschaft
Für seine faszinierende Bilderserie «Light Fall» reiste der Fotograf Guido Baselgia rund um den Erdball und auch auf den Wildspitz.
Zug – Faszination Licht. Das Sicht-, aber nicht Greifbare. Es tritt in geradezu unendlichen Formen und Farben auf, es wärmt, kühlt zuweilen, löst Stimmungen aus. Für gewöhnlich nimmt unser Auge das Licht im Moment wahr. Die Sonne am Himmel oder die Sterne nachts. Es ist immer der Augenblick. Doch mit der entsprechenden Ausstattung und viel Zeit lässt sich das Licht verfolgen und zeitlich gebündelt abbilden. Wie eindrucksvoll dies sein kann, zeigt «Light Fall», der neue Bildband des renommierten Schweizer Fotokünstlers Guido Baselgia. Der gebürtige Engadiner lebt und arbeitet in Malans bei Chur, hat zuvor jedoch 40 Jahre in Zug gelebt. «Es gibt hier kaum einen Ort, den ich nicht auch fotografisch erkundet hätte», sagt der Bündner.
Die Bilder in «Light Fall» sind in der Zeit von 2006 bis 2014 entstanden. Sie sind aus Inspirationen und Erkenntnissen aus Baselgias Werkreihen «Hochland» (2001), «Weltraum» (2004) und «Silberschicht» (2008) hervorgegangen. Für «Light Fall» reiste Baselgia nach Feuerland, Norwegen, Ecuador und erklomm Berggipfel in den Schweizer Alpen, um mit seiner Fachkamera das bemerkenswerte Analog-Fotoprojekt umzusetzen. Der Künstler kam dem Phänomen des Erdschattens auf die Spur.
Stundenlange Belichtungszeiten
Besonders einzigartige Beobachtungen machte Baselgia auf dem Piz Languard auf 3200 Metern über Meer. Baselgia: «Hier entstehen Fotografien, die auch Grundsätzliches der analogen Fotografie untersuchen wie die Physik des Lichtes, aber auch Zeit und Raum und das latente Bild im Medium selbst.» So baue sich während der stundenlangen Belichtungszeiten ein Bild auf, das von blossem Auge nicht sichtbar sei und auch gleich wieder zu verschwinden drohe. «Das Faszinierende daran ist, dass die vorhersehbare Himmelsmechanik zu unvorhersehbaren Bildern führt.»
Auf vielen seiner Fotografien sind geheimnisvolle Lichtbahnen zu sehen, die den Weg der Sonne oder der Sterne darstellen. Im Falle der Sonne wird der Betrachter insofern hinters «Licht» geführt, als er glaubt, er sähe den Sonnenverlauf dargestellt. In Wahrheit jedoch zeigt es die Bewegung der Erde, die sich um die eigene Achse dreht.
Auf dem Wildspitz und Gnipen
Der neue Bildband «Light Fall» umfasst auch drei eindrückliche Aufnahmen, die auf dem Gnipen und dem Wildspitz entstanden sind, eine Region, die Baselgia während seiner Zuger Zeit ebenfalls gerne besucht hat für seine Arbeit. Wie der Schweif eines Ufos zieht sich auf der einen Abbildung der über eine längere Zeitspanne aufgezeichnete Lichtverlauf der Sonne quer durch den Himmel über dem Zugersee und den Zentralschweizer Alpen. Die Reflektion im spiegelglatten Wasser des Sees oder diejenige im Weiss des Schnees auf dem Gnipen tauchen die Landschaft in eine geradezu surreale Stimmung. So glasklar und scharf und doch irgendwie nicht von dieser Welt. «Sonnenwenden», so Baselgia erklärend zu diesen drei Bildern, «sind ewig wiederkehrende Wendepunkte, stellen einen weltumspannenden Bezug zu Nähe und Ferne her, zum Lokalen und Globalen im Leben überhaupt. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Arbeiten ‹Eine Nacht lang›, ‹Sommersonnenwende› und ‹Wintersonnenwende› auf dem Wildspitz und Gnipen entstanden.»
Nach wie vor pflegt Guido Baselgia seine Beziehungen und Freundschaften in Zug. «Auch wenn mein Atelier jetzt 100 Kilometer südöstlich davon liegt.» (Andreas Faessler)
HinweisGuido Baselgia «Light Fall», Fotografien 2006–2014. 1. Auflage, 2014, Text Deutsch und Englisch, gebunden, 144 Seiten, 79 Triplex- und 34 sw-Abbildungen 31x30 cm, ISBN 978-3-85881-420-3, 99 Franken.