Flieg mich zum Mond

Dies & Das

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Sie üben freudsche Traumdeutung und fliegen mit der NASA zum Mond. Das Duo Frida klingt abstrus, schräg, schlicht fantastisch.

  • Duo Frida (Bild: PD)
    Duo Frida (Bild: PD)

Zug (Kanton) – Dieser Artikel ist in der Juni-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier das Magazin als PDF lesen. Und hier gehts zu den anderen Artikeln dieser Ausgabe.

Es sind die ganz grossen Themen, die sie sich vornehmen. Haben wir einen freien Willen? Oder ist unser gesamtes Leben etwa schon geschrieben, jede unserer Entscheidungen bereits getroffen, bevor wir uns selbst überhaupt entscheiden konnten? Was ist Fantasie? Und was geht da eigentlich vor in unserem Unterbewusstsein? «Das sind Fragen, die mich beschäftigen», sagt Lana Kostić. «Und solche Fragen prägen unsere Musik», fügt die gebürtige Bosnierin an und wirft dabei einen Blick auf Laura Livers, die neben ihr sitzt und kaum merklich mit dem Kopf nickt: «Banalitäten und Schnulziges wird man bei uns nicht finden», sagt die Zugerin. Vielmehr: Düsterheit, ein Schuss Absurdität, eine gute Hand voll Dadaismus.

Angereichert mit Kreativität und Ausdrucksstärke haben sich Livers und Kostić eine Mixtur zusammengebraut, an der das Etikett der Einzigartigkeit haftet. Duo Frida nennt sich die minimalistische Formation der beiden klassisch ausgebildeten Musikerinnen, die wie aus dem Nichts auf einmal auf den hiesigen Bühnen auftauchte. Ihre Kost verpacken sie in Klänge, die irgendwo zwischen zeitgenössischer Klassik und modernem Pop oszillieren, als wüssten sie sich nicht für eine Seite zu entscheiden.

Das müssen sie nicht, und das tun sie auch nicht. «Wir stecken in keiner Schublade», sagt Livers, «sondern in einer ganzen Kommode mit vielen Schubladen.» Was diese zu Tage fördern, sei vor allem der Klang gesprengter Ketten und der Sound einstürzender Konventionen. Duo Frida spielt gegen verstaubte Vorurteile an, die auch heute noch in der Musik vorherrschen.
«Wenn du als Frau auf der Bühne mal etwas lauter bist, giltst du gleich als hysterisch», moniert Livers. «Aber wir dürfen das! Wir dürfen laut sein. Andererseits müssen wir nicht automatisch ins schwarze Abendkleid schlüpfen, wenn wir klassische Musik spielen.» Der Geist von 
Frida Kahlo, die als Namensgeberin Patin stand und den beiden mit ihrem sozialkritischen und rebellischen Naturell imponiere, schwingt hier deutlich mit.

Die Nasa als Textlieferant
Mit Cello, MicroKORG, Loop Station und ihren Stimmen begeben sich Livers und Kostić auf die experimentelle Spielwiese und toben sich dort ungeniert aus. Ihre Eigenkompositionen erzählen von surrealen Traumwelten. Alte balkanische Gedichte werden ebenso vertont und neu interpretiert wie reale Ereignisse. «Wir spielen, was sich gut für uns anfühlt», betont Kostić.
Das kann dann auch mal ein vertonter Flug zum Mond sein. Im Stück «Omega – Mission to the Moon» ist das Duo Bestandteil der Apollo 11 Mission. Originale Tonaufnahmen der Nasa vermengen sich mit Zeitzeugenberichten und dienen als Rohmaterial, um die erste Mondlandung einer Neuinterpretation zu unterziehen. «Fly me to the moon», singen die beiden flehend ins Mikrophon, bevor der Countdown zum neuen Jahr eingeläutet wird und die Erde sich unbeeindruckt weiterdreht. Das hat fast schon Ohrwurmcharakter.
Andernorts folgen sie Sigmund Freud auf dessen Wegen ins Unterbewusstsein, um den Geheimnissen unserer Träume auf die Schliche zu kommen. Erzählt wird diese Reise im Gewand eines konzeptuellen Popsongs, in dem elektronische Klänge mit den flüsternden Stimmen der Sängerinnen kontrastieren.

Könnerinnen am Werk
Alles ein bisschen crazy? Durchaus. Und kopflastig. Und ziemlich virtuos. Denn die beiden Musikerinnen vom Duo Frida verstehen ihr Handwerk. Die Cellistin Kostić, Jahrgang 1988, schloss ihr Studium mit Auszeichnung ab und ist Preisträgerin mehrerer internationaler und nationaler Wettbewerbe. Livers, Pianistin und ebenfalls 1988 geboren, komponierte die Musik für ein preisgekröntes Theaterstück und weilt bald als Atelierstipendiatin in New York.
Kennengelernt haben sie sich während ihres Studiums in Komposition und Theorie an der Hochschule der Künste Bern. 2016 entstand Duo Frida, «weil wir einfach Bock hatten, zusammen zu spielen», begründet Livers. Bald folgten erste Auftritte im Kanton Zug. Dann ein Abstecher in Kostićs Geburtsland, Bosnien und Herzegowina. Jüngst eine eng getaktete Tour durch Deutschland, die sie noch immer etwas in den Knochen spüren.

Duo Frida ist ein künstlerisches Gesamtpaket. Ihr optisches Erscheinen ist ebenso Bestandteil der Performance wie ihre fein abgestimmten Arrangements und das improvisierte Spiel. Oder wie Kostić sagt: «Der Auftritt spielt mit der Musik.» Deshalb gehört Duo Frida auf die Bühne, in die Galvanik etwa, für ein Konzert bei «Helvetia rockt». Oder, das sei an dieser Stelle verraten, ans Rock the Docks.

Ihre musikalische Bandbreite sei indes noch nicht ausgereizt. Duo Frida ist kein fertiges Produkt. «Es kann sein, dass wir in einem Jahr ganz anders tönen», meint Kostić und fügt an: «Wir bleiben spannend.» Wer gerne die Katze im Sack kauft, sollte unbedingt zugreifen. (Philipp Bucher)