Heuer läutet die «Chriesigloggä»

Dies & Das

,

Erstmals nach vielen Jahren läutet in diesem Jahr eine Glocke zum Start der Kirschenernte. Denn wie Kirschenkulturforscher Ueli Kleeb entdeckt hat, war dies früher Tradition.

  • Thomas Inglin, Corinna Müller und Ueli Kleeb (von links). (Bild: Werner Schelbert)
    Thomas Inglin, Corinna Müller und Ueli Kleeb (von links). (Bild: Werner Schelbert)

Baar – Am kommenden 25. Juni um 12 Uhr läutet in Zug die «Chriesigloggä» und die Teams starten zum zehnten «Chriesisturm». Das Läuten der Glocke und das Rennen mit Leitern durch die Altstadt setzt das vor 300 Jahren erstmals urkundlich erwähnte Läuten der «Grossen Glocke» von St.Michael fort. Damit gab früher die Obrigkeit die Kirschbäume in der Allmend frei. Die Zuger Bürger stürmten dann mit ihren Leitern in die Herti, um – wie lang ersehnt – Kirschen zu pflücken.

Der Zuger Ueli Kleeb steckt zum grössten Teil hinter dem Zuger «Chriesisturm». Er erforscht seit Jahren die regionale Kirschenkultur und beschert nun den Baarern ebenfalls ihre «Chriesigloggä». Denn wie seine Recherchen ergeben haben, besassen im 18. Jahrhundert nicht nur Zug und Ägeri, sondern auch Baar eine «Chriesigloggä», die mit ihrem Geläut das Zeichen zum Start der Kirschenernte gab. «Die Dorfherren, also die Ratsherren der Korporation Baar-Dorf, befahlen 1731, die ‹kriessi zu leüthen›», so Kleeb. 1749 wurde das Glockenzeichen im Korporationsprotokoll erneut vermerkt, und erwähnt wird erstmals auch ein Baarer «Chriesisturm». «Ein weiterer Beleg für die tiefe Verwurzelung der Chriesikultur im Kanton Zug», wie Kleeb betont.

Baarer und Zuger Glocken läuten gleichzeitig

Zeitgleich mit Zug soll darum nun heuer auch in Baar die Glocke läuten. Denn der Baarer Kirchenrat hat beschlossen, die «Chriesigloggä» der Pfarrkirche St.Martin zum Start der diesjährigen Kirschensaison wieder zu läuten. Die Glocke soll, gleichzeitig mit der Stadtzuger «Chriesi­gloggä» der Kirche St.Michael, eine Viertelstunde lang erklingen und den Baarerinnen und Baarern verkünden, dass die Kirschen reif sind. «Der Baarer Kirchenrat findet das eine sehr schöne Tradition und begrüsst die Bemühungen rund um die Pflege der Kirschenkultur im Kanton Zug», sagt Thomas Inglin, Präsident der Baarer Kirchgemeinde.

Als Zeichen der Unterstützung macht die Baarer Kirchgemeinde zudem als Baumpatin bei «1000 Kirschbäume für Zug» mit. Ob der «Chriesisturm», in Form eines Rennens mit Leitern und Hutten, dereinst einmal durch die Baarer Gassen fegen könnte, ist noch offen. «Es wäre natürlich schön, wenn dieser wiederentdeckte alte Brauch der Baarer Dorfleute wieder aufleben würde», findet Walter W. Andermatt, Präsident der Korporation Baar Dorf.

Mehr als 300 Jahre alter Brauch

Überlieferungen aus dem 18. Jahrhundert belegen, dass der Brauch der «Chriesigloggä», aber auch des daran anschliessende «Chriesisturms» im Kanton Zug verbreitet war, erzählt Kleeb. Den ältesten Beleg für eine derartige Glocke im Kanton Zug finde sich in den Zuger Stadtratsprotokollen, wo das Läuten zum Start der Kirschenernte für 1711 überliefert sei. 2008 entschlossen sich die Zuger, die grösste Glocke der Kirche St.Michael wieder erklingen zu lassen. Und seit 2009 startet auf dieses Zeichen hin der «Chriesisturm». Für 1758 ist das Läuten der Kirschenglocken in den beiden Pfarrkirchen von Unter- und Oberägeri bezeugt. Seit 2010 findet jedes Jahr der «Ägerer Chriesitag» statt, und man lässt an beiden Orten die Glocken läuten. Für Kleeb, Mitherausgeber des 600-seitigen Buches über die regionale Kirschenkultur, sind die überlieferten Chriesibräuche des Kantons Zug einzigartig: «Eine Ausnahme bildet das «Chriesiglöggli» im schaffhausischen Schleitheim, dass vermutlich seit 1718 läutete und heute als Taufglocke dient.» (Charly Keiser)