Ein Fresko und sein barockes Vorbild

Kunst & Baukultur

,

Das grosse Fresko im Chor der Pfarrkirche St. Matthias zeigt das letzte Abendmahl. Die Darstellung ist einem bedeutenden Kunstwerk in Süddeutschland nachempfunden, was erst bei genauerer Betrachtung deutlich wird.

  • Das Chorfresko in der Steinhauser Pfarrkirche (links) im Vergleich mit der monumentalen Abendmahlsszene von Martin Knoller in der Abteikirche Neresheim. (Bild: Andreas Faessler)
    Das Chorfresko in der Steinhauser Pfarrkirche (links) im Vergleich mit der monumentalen Abendmahlsszene von Martin Knoller in der Abteikirche Neresheim. (Bild: Andreas Faessler)

Steinhausen – Im ausgehenden 19. Jahrhundert dachten die Steinhauser über eine Vergrösserung ihrer 1699 erbauten, schon lange zu klein gewordenen Pfarrkirche nach. In den Jahren 1913/14 wurde dieser Plan umgesetzt – das Langhaus wurde abgebrochen und durch einen deutlich grösseren Neubau ersetzt. Für die Malereien im neuen Kirchenschiff zeichnete der bekannte Aargauer Kirchenmaler Josef Heimgartner (1868–1939) verantwortlich. Seine Werke sind in zahlreichen Kirchen in der Zentralschweiz zu finden.

Aus der alten Kirche St. Matthias ist lediglich ein Deckenfresko erhalten geblieben – dasjenige im Chor, welcher von der Erneuerung nicht betroffen war. Es wurde 1805 geschaffen, wohl im Zuge einer im selben Jahr erfolgten Renovation der Pfarrkirche. Das Bild zeigt das letzte Abendmahl, eine der bekanntesten und künstlerisch am häufigsten dargestellten biblischen Szenen. Der scheinbar nicht überlieferte Urheber des Steinhauser Chorfreskos überspannt seine Abendmahlszene mit Jesus Christus als zentralem Fixpunkt mit einer imposanten perspektivischen Kuppelarchitektur, die von korinthischen Säulenpaaren getragen wird. Eine grosszügige Kuppellaterne sowie zwei Ochsenaugen öffnen den Raum nach oben und verleihen dem Bild zusätzliche Tiefe.

Der Zuger Kunsthistoriker Josef Grünenfelder beschreibt das letzte Abendmahl in der Pfarrkirche von Steinhausen als eine Variante des berühmten Chorfreskos von Marin Knoller (1725–1804) in der Abteikirche Neresheim (Baden-Württemberg). Vergleicht man die beiden Gemälde, so wird die Vorbildfunktion von Knollers monumentaler Darstellung offensichtlich. Wohl ist die perspektivische Architektur unterschiedlich angelegt, doch lässt die eigentliche Szene klare Parallelen erkennen. Das beginnt bereits bei der Beschaffenheit der Tischdecke oder dem Vorhandensein eines krugartigen Gefässes mit einem feinen Tuch auf den Stufen unterhalb des Abendmahlstisches. Auch Anordnung und Haltung der – nicht vollzählig sichtbaren – Jünger sind eindeutig der Neresheimer Szene entlehnt.

Den Grund für diese frappante Ähnlichkeit des Steinhauser Freskos zum Hunderte Kilometer entfernten Vorbild vermutet Josef Grünenfelder beim Allgäuer Kirchenmaler Joseph Keller (1740–1823). Dieser dürfte die Neresheimer Darstellung durch seine Abendmahlsszenen und auch andere Fresken mit Scheinarchitektur, die er in Zentralschweizer Kirchen ausgeführt hat, transportiert haben. Denn vor allem die Beschaffenheit des perspektivischen Kuppelsaals respektive mehrere Elemente und sich wiederholende Details finden sich vorgebildet in zahlreichen Deckengemälden Joseph Kellers, führt Grünenfelder aus.

Hinsichtlich Qualität kommt die Abendmahlsszene in Steinhausen freilich nicht annähernd an die Neresheimer Darstellung des seinerzeit gefeierten Barockmalers Knoller heran. Am deutlichsten zeigt sich der qualitative Unterschied in der Detailhaftigkeit sowie an der Ausführung der Figuren, in deren Extremitäten und Gesichtern. Trotzdem verfehlt die Darstellung in der Steinhauser Pfarrkirche nicht ihre Wirkung und strahlt durchaus eine würdige Festlichkeit aus.
(Andreas Faessler)

Hinweis

Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.