Physik, die gut klingt

Kunst & Baukultur, Film & Multimedia

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Er bringt Wasser zum Klingen, treibt Spiele mit der Zeit und zeigt uns im ­Crypto Valley, wie man mittels Bitcoin-Schürferei ganze Räume heizen kann. Der Zuger Künstler Matthias Moos mag die Wissenschaft.

  • Alles ist digital in Crypto Valley. Auch die Äste.
    Alles ist digital in Crypto Valley. Auch die Äste.
  • Der Zugersee in Millisekunden aufgeteilt und wieder zusammengefügt.
    Der Zugersee in Millisekunden aufgeteilt und wieder zusammengefügt.
  • So sieht er aus, der Digitalkünstler: Halb Mensch, halb Maschine.
    So sieht er aus, der Digitalkünstler: Halb Mensch, halb Maschine.
Zug – Dieser Artikel ist in der November-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

In der hintersten Ecke des Ateliers 63 sieht es zünftig nach Tüfteleien aus. Hier regieren, nicht wie in den Ateliernischen der anderen Künstler, Acrylfarben und Leinwände, sondern Computerteile, Elektrogeräte und Kabel. An der Wand hängen elf miteinander verbundene Handys, die einen Countdown zeigen. Er steht bei 40 Jahren, 181 Tagen, 8 Stunden, 15 Minuten, 12, 11, 10 Sekunden.

«Dieses Kunstprojekt zeigt die Zeit an, während der ich gemäss Statistik noch leben werde», erklärt Matthias Moos beiläufig. Auf dem Pult des Kunstschaffenden liegt ein Pizzakarton. Das ist insofern belustigend, als dass die Besucher von Moos’ Website zuerst auf folgende Worte treffen: «Donate bitcoin, artist needs pizzas». Dazu ein QR-Code, mittels dem Spenden getätigt werden können.

«Eigentlich ist der Satz, der im Rahmen des Teletext Art Festivals entstand, ein Insiderwitz. Die erste Transaktion, die mit der Cryptowährung getätigt wurde, wurde für den Kauf zweier Pizzen getätigt. Der Preis dafür: 10 000 Bitcoin», sagt er. Das ist insofern tragikomisch, da diese heute einen Wert von rund 530 Millionen Franken hätten.
Das Crypto Valley ist eines der Themen, die den gebürtigen Zuger Matthias Moos latent beschäftigen. Während des Festivals «Illuminate» 2018 liess der Künstler im Rahmen des Projekts «No Place Like Home» während fast dreier Wochen zehn Bitcoin-Schürfmaschinen laufen.

Ein Quadratmeter Land
«Vordergründiges Ziel war es, die Maschinen so lange arbeiten zu lassen, bis sie so viel verdient habe, um einen Quadratmeter Land am Zugersee zu kaufen. Das gelang mir natürlich nicht», sagt er schmunzelnd. Der Energieverbrauch sei enorm. «Eigentlich ging’s beim Projekt unter anderem auch darum, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie viel Lärm, Hitze und eben Kosten bei der Herstellung von Bitcoin verursacht werden. Ich wollte die physikalischen Eigenschaften des Mediums in das Werk mit einbauen. »
Zur Veranschaulichung holt Moos einen Bit­coin-Miner aus seinem Lager und installiert ihn.
Es klingt, als hätte jemand einen ziemlich lauten Föhn eingeschaltet. Die Luft, die das ­Gerät ausstösst, beginnt sich nach einigen ­Minuten zu erhitzen. «Im Winter könnte man damit diesen ganzen, ungeheizten Raum auf 50 Grad aufheizen. Mindestens», erzählt Moos.

Physik in Kunst verwandeln
Moos, der an der ZhdK Mediale Künste stu­dierte und in London einen Master in Computational Arts absolvierte, nutzt sein Technikflair jedoch nicht nur, um sich mit Blockchain zu ­befassen. Mit Vorliebe braucht er es, um Naturphänomene und Physik in Kunst zu verwandeln. Das klingt zunächst abstrakt.

Moos zeigt auf die Bilder hinter sich. Zwar ist erkennbar, dass auf den Bildern Wasser zu sehen ist, doch handelt es sich eben nicht nur um eine einzige Momentaufnahme, welche die Fotografien zeigen. «Ich spiele gerne mit der Zeit und mit der Wahrnehmung, die wir von ihr haben. Für diese Bilder habe ich das Wasser an der gleichen Stelle 120 Mal pro Sekunde fotografiert. Die gleichen Ausschnitte, die ich in unterschiedlichen Momenten aufgenommen habe, wurden in winzigen Streifen aneinandergereiht.» Es entsteht zwar letztlich ein einzelnes Bild, dieses zeigt jedoch einen zeitlichen Ablauf. «Die Idee dazu kam mir jedoch, während ich auf die Themse blickte, als sich der Mond darin spie­gelte.»

Doch war es letztlich der Zugersee, der für das Experiment herhalten musste. Es war nicht das erste Mal, dass der Kunstschaffende auf die Hilfe des hiesigen Gewässers setzte. ­Einige Jahre davor stellte sich Moos der Frage, wie der See klingen mag. Mit Hilfe einer kleinen, durchsichtigen Boje, welche er mit einer Audio-Installation ausstattete, nahm er den Klang der Wasserbewegungen auf. Ein Geräusch, das eigentlich vom menschlichen Gehör nicht wahrnehmbar ist. «Aus diesem Grund habe ich den Ton um das 400-Fache beschleunigt, womit dieser natürlich auch höher wurde.» Was dabei entstand? Hypnotische, einschläfernde, ausserirdisch anmutende Klänge.

Warum dieses Blau und nicht jenes?
Nicht nur die Wellen im Wasser haben es Moos angetan. «Viele Naturphänomene gründen in Wellen. Klang etwa, aber auch Licht, das sich aus Farben zusammensetzt, die ja je nach Wellenlänge für uns anders sichtbar sind.»
Die Schönheit der Wissenschaft und der Natur auffangen; darauf muss man erst kommen. «Als ich in Zürich den Bachelor-Studiengang Me­diale Künste absolvierte, wurde ich stets aufgefordert, meine Projekte zu erklären. Doch wie erklärt man, warum man dieses und nicht das andere Blau gewählt hat? Ich begann, mich intensiver mit Naturwissenschaft und Technik zu befassen, Dinge zu beobachten. Schlichtweg, weil es für mich einfacher zu erklären ist, welches Phänomen ich mit welchen technischen Mitteln einzufangen versuche.»

Nur stelle sich hin und wieder die Schwierigkeit, gesammeltes Material für den Rezipienten «gut verdaulich» sichtbar zu machen, respektive dieses in eine Form zu bringen, welche bei einer Ausstellung vorzeigbar sei. Bei diesem Prozess helfen ihm die Deadlines, sagt der Kunstschaffende. «Das klingt vielleicht nicht positiv, doch: Das Werk vervollständigt sich selbst im Hinblick auf die Ausstellung.»
Es handelt sich mitnichten um Mainstream-Kunst, die Matthias Moos den Rezipienten vorsetzt. Fragt sich, ob Zug, Crypto Valley hin oder her, genügend offen ist dafür. Oder anders gesagt: Was brachte den gebürtigen Zuger von der Kulturmetropole London zurück in die Heimat?
«Ich bin 2015 aus gesundheitlichen Gründen zurück in die Schweiz gereist. Geplant war damals noch, dass ich so bald wie möglich wieder nach London zurückgehe. Doch zum einen kam ich hier im Atelier 63 zu einem tollen Arbeitsplatz mit guten Leuten.» Zum anderen sei er in der Vergangenheit sehr viel unterwegs gewesen. «Letztlich ist es jedoch so: Man nimmt sich selber immer mit, egal, wo man hinreist. Irgendwie versuche ich mein ganzes Leben lang schon anzukommen. Mittlerweile ist mir das teilweise gelungen.»

Doppelausstellung von Wellen und Teilchen
Von November bis Januar stellt Matthias Moos zusammen mit der Kunstschaffenden Margrit Fischer Hotz in der Galerie Billing in Baar aus. Wie Moos befasst sich auch Fischer in ihren Werken mit Physik, insbesondere mit der Quantenphysik. «Von Wellen und Teilchen» lautet der Titel der Doppelausstellung. Während die rasanten technologischen Entwicklungen durchaus Angst machen können, hat die Ausstellung zum hehren Ziel, uns mit der aktuellen Situation zu versöhnen und uns die Schönheit der Wissenschaft und der Natur aufzuzeigen.
Zurück zum Bodenständigen. Zum Pizzakarton, der da auf dem Pult liegt. Hat jemand auf Moos’ Aufruf nach Bitcoin-Spenden reagiert? «Tatsächlich. Obwohl die Aufforderung ironisch war hat mir jemand Anfang Corona Bitcoin im Wert von etwa sechs Franken eingezahlt.»

Hier gehts zur Ausstellung.

(Text: Valeria Wieser)