Auf den Spuren von St. Oswald

Brauchtum & Geschichte

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Bei der jüngsten Schwerpunktführung stand Zugs bedeutendste Kirche im Fokus. Selten war Geschichte spannender.

Zug – Es muss schlimm gewesen sein für die Gefangenen in den «Kisten» – eingesperrt im Zytturm. Nicht umsonst sagte man früher «der hockt in der Kiste», wenn vom Gefängnis die Rede war. Denn genau das war es: Eine Kiste, vielleicht vier Quadratmeter gross, stehen war unmöglich. «Wenigstens das hatte Napoleon gut gemacht: Er setzte sich dafür ein, dass auch in Zug die Gefangenen etwas würdiger ihr Dasein fristen konnten.»

Wenn der Chamer Jürg Johner solche Geschichten in seiner Funktion als Stadtführer erzählt, kann man Dramatik und Elend jener Zeit förmlich spüren. So auch am Samstagvormittag, bei strahlendem Wetter im Rahmen der Stadtführung Zug – Kirche St.Oswald. «Da wir uns ja beim Zytturm besammelt haben, können wir diesen doch auch gleich besichtigen», meinte Jürg Johner und nahm zusammen mit etwas mehr als einem Dutzend die Treppen des Wahrzeichens von Zug in Angriff. Ja, und wenn einer eine Führung macht wie Lokalhistoriker Johner, dann ist klar, dass Geschichte sehr spannend sein kann. Nicht umsonst kennt man ihn mittlerweile bestens als Botschafter der Vergangenheit: Durch seine lebendigen Erzählungen konnte man sich beispielsweise plastisch vorstellen, warum die Grafen von Kyburg in der Mitte des 13. Jahrhunderts sich der Siedlung rund um den See so sehr widmeten (Neueröffnung/Ausbau Gotthardweg). Der Blick vom Zytturm zeigte dann auch schön den engen Stadtkern am See und die grossräumige «Erweiterung» im späten 15. Jahrhundert. Diese Informationen machten erst später in der Führung Sinn, dann nämlich, als Jürg Johner erklärte, dass die Stadt in der neuen Grösse nicht ohne Gotteshaus bleiben durfte.

Besondere Baugeschichte

Schwerpunkt der Führung war die Kirche St.Oswald. Bereits die Baugeschichte der Kirche war interessant, denn damit diese gebaut werden konnte, griff man auf Spender und Wohltäter zurück, Bruder Klaus von Flüe war einer davon, aber auch Erzherzog Sigismund von Österreich und sogar der französische König Karl VIII.

Bevor die Kirche 1930 (einmal mehr) renoviert wurde baute man aber seinerzeit eine Werkstatt für die Steinmetze: Die Hütte ist mittlerweile mehr als nur architektonische Zeitzeugin; sie ist beliebter Treffpunkt für Veranstaltungen aller Art. «Eine absolute Empfehlung», sagte Jürg Johner am Samstag während der Führung mit einem grossen Schmunzeln. Es sind diese kleinen Hinweise auf Gebäude oder Begebenheiten, die man schlicht nicht realisieren oder wahrnehmen würde ohne den Chamer Lokalhistoriker.

Heimat durch Geschichte

Selbstverständlich wusste dieser auch, dass der heilige Oswald in Zug dank des Bauherrn Magister Johannes Eberhart, ein Zuger, so verehrt wurde. Dank seiner exakten Buchführung in zwei so genannten Rödeln (Schriftrolle im Mittelalter) und dem seinerseits angelegten Jahrzeitbuch zählt St.Oswald als schmuckreichste spätgotische Kirche der Schweiz neben dem Berner Münster zu den bestdokumentierten Bauten des Spätmittelalters.

In der Kirche selbst wurden dann einerseits die verschiedenen (Bau)Epochen anhand diverser Beispiele gezeigt, andererseits aber auch die Ausstattung erklärt – immer genau so viel, dass es nicht langatmig wurde und dennoch gehaltvoll blieb. Gerne hätte man dem Lokalhistoriker noch länger zugehört, denn gerade jetzt ist die Gelegenheit günstig, die eigene Heimat besser kennen zu lernen. Und dies gelingt einem nur, wenn man die Geschichte dazu kennt. Aber irgendwann musste dann Schluss sein. Wenigstens für dieses Mal. (Haymo Empl)

Hinweis
Die drei verbleibenden thematischen Führungen 2020 (24. August, 21. September und 26. Oktober) fallen coronabedingt aus und werden auf 2021 verschoben.