«Uups, der Ring ist aber schwer!»
Theater & Tanz
Lilo Baur erhält den Hans-Reinhart-Ring, die wichtigste Schweizer Theaterauszeichnung. Erstmals fand die Verleihung im Casino Zug statt.
Zug – Man kann es durchaus so sagen: Am 31. Oktober 2024 blickte wohl die gesamte Theater- und Tanzwelt der Schweiz nach Zug. Im Theater Casino Zug wurden die «Schweizer Preise Darstellende Künste» verliehen, allen voran der berühmte Hans-Reinhart-Ring als wichtigste Theaterauszeichnung des Landes.
Zusammengefasst: Ein festliches Zeremoniell im Hochglanzrahmen, aber auch ein Abend voller Jubel, Spontaneität, Nachdenklichkeit, Widerstand. Auf der Bühne promenierten während mehr als zwei Stunden die Preisträgerinnen und -träger, während im bis zum letzten Platz besetzten Saal ihre Angehörigen, Freunde und Weggefährtinnen hörbar mitfieberten und mitfeierten.
Bundesrätliche Würdigung
Zum lichtdurchfluteten Hochglanz gehörten der von der Stadt Zug gestiftete Welcome-Apéro im Festsaal, samt offizieller Begrüssung durch André Wicki als Zugs Stadtpräsident, Ute Haferburg als Intendantin des Theater Casinos Zug und Carine Bachmann als Direktorin des Bundesamts für Kultur BAK.
Die eigentliche Preisverleihung wurde von Jurypräsidentin Simone Toendury eröffnet; die bekannte Schweizer Fernsehfrau Susanne Kunz moderierte sie. Und Bundesrat Ignazio Cassis sprang für Kulturministerin Elisabeth Baume-Schneider ein, «die gerade in Brasilien weilt», und hielt eine humorvolle Rede geprägt von politischen Anspielungen, beschwor die Vielfalt und Vielsprachigkeit der Schweiz, die Zeitenwende und die vermittelnde Rolle von Kultur und Kunst.
Die Preisverleihung fand im abgedunkelten Theatersaal statt, mit fokussierenden Lichtern auf der Bühne – ein bisschen Guckkasteneffekt, ein wenig Theaterluft. Umrahmt von lustigen «musiktheatralen Interventionen» von Jürg Kienberger, Anna Trauffer und Peter Conradin Zumthor und von den Ballroom-Intermezzi der queeren Tanzgruppe «House of Laveaux».
12 Preise für die Darstellenden Künste
Verliehen wurden insgesamt 12 Auszeichnungen, die von der Eidgenössischen Jury für Darstellende Künste dem BAK vorgeschlagen worden waren: Neben dem Hans-Reinhard-Ring waren dies weitere neun Preise für Darstellende Künste und zusätzlich zwei für je eine herausragende Tanz- und Theaterproduktion des Vorjahres 2023. Der 13. Preis wurde als «June Johnson Newcomer Prize» von der Stanley Thomas Johnson Stiftung ausgesetzt.
Einerseits zeichneten die Preise lebenslanges künstlerisches Engagement aus, wie das von Philippe Olza (vielschichtiger Theaterproduzent), Old Masters (plastische Gesamtkunstwerke), Petra Fischer (Dramaturgin und Vermittlerin junges Theater), Ursina Greuel (engagierte Theatermacherin), Ueli Hirzel (Pionier des zeitgenössischen Theaters), Anne Delahaye (herausragende Interpretin) oder Marchepied Cie (wichtiges Tanzsprungbrett).
Andrerseits nahm die Auswahl das Schaffen jüngerer, aus internationalen Zusammenhängen stammender Künstler*innen in den Fokus: Adina Secretan (umtriebige Dramaturgin), Ivy Monteiro (queere Ballroom-Aktivistin), Anna-Marija Adomaityte (Tanzen gegen Normen). «L’œil nu» von Maud Blandel erhielt den Preis als herausragende Tanzproduktion 2023, und «Introducing Living Smile Vidya» von Smiley Vidya den als herausragende Theaterproduktion 2023.
Die Dankesreden der Geehrten spiegelten unterschiedliche Themen: von ernsten bis selbstironischen Reflexionen der Künstlerrolle über kulturpolitische Statements bis hin zu eher ichbezogenen Rückblicken. Dass das Bühnenschaffen spartenübergreifender, pluraler, demokratischer geworden ist, zog sich wie ein roter Faden durch den Abend.
Als Höhepunkt wurde am Ende der Hans-Reinhart-Ring verliehen. Seit 2014 wird dieser «Schweizer Grand Prix Theater» vom BAK und der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur SGTK gemeinsam gestiftet und ist mit 100’000 Franken dotiert. Heuer erhielt ihn Lilo Baur als «vielseitige Bühnenkünstlerin und erfolgreiche Auslandschweizerin». Ihre Karriere hat die Aargauerin als Schauspielerin, Theater- und Opernregisseurin vorwiegend in Frankreich und England gemacht, arbeitet an Häusern wie der Comédie Française oder der Opéra Comique in Paris.
Als die kleine, quirlige Frau im weissen Kleid auf die Bühne stöckelte, toste der Saal. Sehr natürlich und authentisch zeigte sie physisch, was ein solcher Moment für künstlerisch Schöpfende wohl bedeutet: Jubel, Aufgeregtheit, Witz – «Uups, der Ring ist aber schwer!» –, Stolz und Dankbarkeit für einen glücklich verlaufenen künstlerischen Weg. (Text: Dorotea Bitterli)