Form oder Leben!

Musik

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Mit der Duo-Serie bringt der Alto-Klarinettist Christof Zurbuchen ein Format auf die Bühne des Paettern-Light-up-Ateliers, das eben dies eigentlich gar nicht sein will – Format.

Zug – «Die Starre der Etikette erstickt leider jedes persönliche Leben in grossen Teilen der heutigen Kunst.» Zurbuchen wünscht sich, mehr Leute fänden den Mut, aus den Allgemeinplätzen heraus- und in ihre ganz individuelle Po­sition zu treten. Diesen Ausbruch aus der Sicherheit der Form wagt der Steinhauser Musiker in seiner Duo-Serie «Improvisers Talkshow». An vier Abenden improvisiert er mit vier verschiedenen Künstlern und vermengt dabei Musik, Literatur und Malerei.

Am vergangenen Donnerstag spielte er mit dem Zuger Rapper MC Tomahawk, der die Handvoll Anwesenden mit seinen frei improvisierten Freestyle-Texten in den Bann schlug. «Hier im kleinen Paettern kennt jeder sofort jeden. Das gibt eine unglaublich familiäre Stimmung», meint der Mundartrapper nach dem Konzert, bei dem er augenzwinkernd mit der Zweiteilung zwischen Musikern und Publikum spielte. Gerade dafür eignet sich das Paettern beim Bahnhofplatz in Zug hervorragend. «Dein Baumhaus mitten in der Stadt», so der Slogan des seit vier Jahren vielleicht unbekanntesten kulturellen Kleinods der Stadt. Für manche das Gleis 9¾ des Zuger Bahnhofs. Eine kleine Welt voller Möglichkeiten, in der man Fremden «Hallo» sagt und manchmal sogar ins «Gespräch» kommt.

Bei Zurbuchens nächster Duo-Session am 26. April trifft er auf die Malerin Sibylle Irma und sucht im Spiel zwischen Live Painting und improvisierter Musik nach dem «einen Moment»: wenn der Kopf ganz ausgeschaltet und das «Jetzt» ganz Gefühl ist. «Das sind die Sternstunden der Improvisation.» Wie andere Musiker die immer gleichen Stücke hundertfach spielen können, ohne dabei den Ausdruck zu verlieren, kann er nur schwer nachvollziehen. «Meine Musik lebt davon, dass sie stets nur einen Augenblick vom Aus entfernt ist. Das Kreieren im Jetzt gibt mir den Kick, der ­alles erst zum Leben erweckt.» Auch mit dem Literaten Alexander Obretenov und dessen ab­strakten Texten stürzte er sich schon ins Ungewisse. Beispielsweise zum Thema «Blinder Wohlstandsrausch in der ersten Welt».

Bitte ein bisschen mehr freaky

«Ich bin wohl in der falschen Zeit geboren», meint der vierzigjährige Zurbuchen. «Seit den 80er-Jahren ist jeder Bereich des Lebens derart institutionalisiert, dass es viele nicht mehr in Erwägung ziehen, ihre eigenen Schritte zu finden.» Sei dies in der Kunst oder im gesellschaftlichen Leben. «Ich wünschte mir, die Leute wären ein bisschen mehr freaky.»

Neben den Duo-Sessions, die dieses Jahr schon ihre zweite Auflage erleben, spielt der Klangkünstler Zurbuchen in verschiedenen Bands und Kollektiven. Unter anderem bei der Zuger Werkstatt für improvisierte Musik (WIM) und der Band Octopus, die in freier Improvisation dem Fluss der Musik nachspürt. (Wolf Meyer)