Ein inszenierter Schauprozess als dringender Weckruf

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Der Fliz Filmclub zeigt im Kino Gotthard ein aufwühlendes Filmdokument von Milo Rau. Mit einem aussergewöhnlichen Experiment zeigt der Regisseur auf, wie Menschen in Afrika von westlichen Rohstoff-Giganten ausgebeutet werden.

  • Aufrüttelnd: «Das Kongo Tribunal» ist ein inszenierter Schauprozess, der seine Wirkung nicht verfehlt. (Bild: PD)
    Aufrüttelnd: «Das Kongo Tribunal» ist ein inszenierter Schauprozess, der seine Wirkung nicht verfehlt. (Bild: PD)

Zug – Man weiss davon, man redet davon, man verurteilt es – aber es ändert sich nichts. Man schweigt. Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Grosskonzerne – vor allem Rohstoffgiganten – die Bodenschätze Afrikas oft unter eklatanter Missachtung der Menschenrechte abbauen. Ein besonderer Brennpunkt liegt im Osten der Republik Kongo, ein Gebiet, das überaus reich ist an Hightech-Rohstoffen. Die gesellschaftlichen Zustände hier sind unsäglich: Seit nunmehr 20 Jahren schwelt ein Bürgerkrieg, der mittlerweile allein in besagter Region zwischen sechs und sieben Millionen Todesopfer gefordert hat. Die Ursache: Die Bevölkerung malocht in den Minen, die Grosskonzerne versprechen den Menschen ein besseres Leben, halten jedoch nicht Wort, sondern unterdrücken das Volk und beuten es aus. Die kongolesische Regierung ist zu schwach und zu wenig autoritär, um die Menschen zu schützen und für bessere Zustände zu sorgen. Durch die kläglicherweise straffrei bleibenden Machenschaften von Konzernen wie Banro, MPC und anderen werden ethnische Konflikte geschürt und somit die labile Staatsgewalt aus den betroffenen Gebieten vertrieben.

Aus dem Westen wird indes alles unternommen, um Länder wie den Kongo an der eigenen Weiterentwicklung zu hindern. Denn nur so kann der Raubbau an den Reichtümern so billig wie möglich gehalten werden. Aufgrund der fehlenden Staatsgewalt bilden sich in den Abbaugebieten kleinere und grössere bewaffnete Milizen, was zu Rebellionen und Stammeskriegen führt. Zahllose Todesopfer sind die traurige Bilanz. Aber wer in unseren Breitengraden schaut da überhaupt hin? Wer weiss um das wirkliche Leid der arg gebeutelten Bevölkerung Kongos? Wer versteht die Mechanismen dahinter und erkennt die eigentlichen Verbrecher, welche für das Leid der Menschen in Schwarzafrika verantwortlich sind?

Mit seinem aufwühlenden Film «Das Kongo Tribunal» will der Schweizer Regisseur Milo Rau die Wahrheit ans Licht bringen – anschaulich und authentisch. Dafür hat er sich etwas in dieser Form kaum je Dagewesenes ausgedacht: Rau inszeniert einen fiktiven Schauprozess, an dem echte Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Justiz teilnehmen. Auch Rebellen sind dabei, regionale Vertreter der Minenkonzerne, Menschenrechtler und – das ist das Spezielle an diesem Unterfangen – das einfache, betroffene Volk. Dieses kommt wiederholt zu Wort. Die Menschen erzählen detailhaft, welches Leid ihnen angetan worden ist und immer noch wird. Auf erschütternde Weise wird deutlich, was dieser wirtschaftlich motivierte Konflikt für die Bevölkerung Kongos und anderer Länder Afrikas für Folgen hat. Es ist ein aufwendiges, eindrückliches Experiment, welches Milo Rau, der im Film wiederholt selber auftritt, auf die Beine gestellt hat. «Das symbolische Tribunal kann einerseits den Schmerz der Betroffenen lindern», sagt Rau. «Andererseits kann es dazu beitragen, dass das Vertrauen in eine Gerichtsbarkeit im Kongo wieder aufgebaut wird.» Dadurch, dass mit dieser Inszenierung die Wahrheit ans Licht komme, soll das Tribunal einen Beitrag zur Entwicklung des Kongo leisten, hält der Regisseur fest.

Milo Raus Aufwand dürfte sich ausgezahlt haben: Der Film ist als lauter Weckruf zu verstehen, gegen Ungerechtigkeit, Vergessen und die die Wahrung der Menschenrechte.

Der Fliz Filmclub Zug zeigt «Das Kongo Tribunal» am kommenden Montagabend im Kino Gotthard. Als Saalgast ist der Produzent Olivier Zobrist anwesend. (Andreas Faessler)