Schweizer Geschichte in Silber getrieben

Dies & Das

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Das Schweizerische Landesmuseum ist im Besitz eines besonders wertvollen Exponats der einst bedeutenden Zuger Gold- und Silberschmiededynastie Bossard: ein vergoldeter Silberpokal, der alle Fertigkeiten dieser Kunstgattung vereint.

  • Der vergoldete Silberpokal von Johann Karl Bossard wird derzeit im Schloss Prangins am Genfersee der Öffentlichkeit gezeigt. (Bild Andreas Faessler)
    Der vergoldete Silberpokal von Johann Karl Bossard wird derzeit im Schloss Prangins am Genfersee der Öffentlichkeit gezeigt. (Bild Andreas Faessler)

Zug – Seit 1975 umfasst der Bestand des Schweizerischen Landesmuseums ein ausserordentlich prächtiges Edelmetall-Exponat. War es vorerst Leihgabe, so konnte das Museum das edle Stück im Jahre 1987 schliesslich erwerben und endgültig für seine Sammlung sichern – im Bericht ist gar vom wichtigsten Ankauf des Jahres die Rede: Es ist ein 72 Zentimeter hoher, rund dreieinhalb Kilo schwerer Deckelpokal von Johann Karl Bossard (*1846 in Luzern, † 1914 ebenda) – oft als Karl Silvan Bossard aufgeführt –, dem letzten bedeutenden Vertreter der Zuger Gold- und Silberschmiededynastie Bossard. Wie schon seine Vorgänger erlernte Johann Karl das Handwerk von seinem Vater. Seine Fertigkeiten verfeinerte er mit Studien- und Arbeitsaufenthalten in Fribourg, Genf, Paris, London und in den USA. Zurück in Luzern, übernahm er 1869 die Werkstatt seines Vaters Johann Balthasar Bossard (1806-1869) am Hirschenplatz. Unter Johann Karl erlebte das Atelier seine Hochblüte, galt während dessen Wirkens als bedeutendste Gold- und Silberschmiedwerkstatt der Schweiz.

Der enorm schaffenskräftige Johann Karl Bossard erlangte vor allem bei seinen Berufsgenossen hohes Ansehen, weil er die historistische Formensprache in der Edelmetallverarbeiteng beherrschte wie kein anderer – er begriff den Zeitgeist jeder einzelnen Epoche in ihrer gesamten Detailvielfalt; sein Interesse an der Kunst vergangener Jahrhunderte war ungebrochen. Die Technik und die Feinheiten der Gotik, der Renaissance oder auch des Barocks fanden stets stilechten Niederschlag in seinen hochwertigen Kunstwerken, was dem aus Zug stammenden an der Pariser Weltausstellung von 1889 gar die Goldmedaille einbrachte. Bossards Kenntnisse als Handwerker, aber auch als erfahrener Kunstsammler und Antiquar waren international geschätzt und gefragt, sodass er an der Weltausstellung von 1900, ebenfalls in Paris, in die Jury gewählt wurde. Zahlreiche Erzeugnisse aus Bossards Luzerner Werkstatt wurden an europäische Adelshöfe geliefert, nach Übersee und an namhafte Museen im In- und Ausland verkauft. 

Den eingangs erwähnten Deckelpokal schuf Johann Karl Bossard im Jahre 1893. Es ist zweifelsohne eines seiner herausragendsten Werke. Erschaffen hatte es der Künstler als Schaustück, welches demonstrativ die zentralen Arbeitsweisen eines Gold- und Silberschmiedes in sich vereint. So beweist Bossard mit diesem die deutsche Renaissance zitierenden Meisterwerk aus vergoldetem Silber, wie er das Giessen, Ziselieren, Treiben, Gravieren und Ätzen von Edelmetall mit absoluter Perfektion beherrscht. Vier Szenen aus der Schweizer Geschichte sind im Deckelpokal verarbeitet, sie verweisen auf die politischen Tugenden: Im Pokalfuss sind die heroischen Bilder der Gründung der Eidgenossenschaft eingraviert. Als Träger der sogenannten Cuppa dienen die drei detailhaft und vollplastisch ausgebildeten Eidgenossen, die Schwurfinger erhebend. Die Cuppa zeigt in acht Feldern die Pannerträger jener Kantone, welche in der Schlacht bei Sempach im Jahre 1386 gegen die Habsburger gesiegt haben. Die Schlacht selbst ist auf dem Deckel des Pokals dargestellt. Bekrönt wird das Ganze von einer Frauenfigur, die einen Löwen bändigt – eine Allegorie der über die Macht triumphierenden Tugend. Das aufwendige, unbezifferbar wertvolle Schaustück aus der Werkstatt Johann Karl Bossards war 1896 an der Genfer Landesausstellung zu sehen. Auch da war Bossard wieder Jurymitglied.

In den 1970er-Jahren kam der Deckelpokal also in die Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums und ist heute in dessen Besitz. Derzeit ist das eindrückliche Werk bester Zuger Gold- und Silberschmiedekunst im Schloss Prangins am Genfersee in einer eigenen Vitrine ausgestellt. Das Barockschloss ist seit 1998 Sitz des Schweizerischen Landesmuseums in der Romandie. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Frühere Beiträge finden Sie online unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut.