Grossartiges Sinfonietta-Eröffnungskonzert in Cham

Musik

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Die Gesamtleistung des Orchesters unter der Leitung von Daniel Huppert, der ausgezeichnete Auftritt der Violinsolistin Hyeyoon Park, dazu eine Stimmung im Publikum wie in Vor-Corona-Zeiten: Alles hat gestimmt.

Cham – Mit je zwei Werken von Felix-Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) und Camille Saint-Saëns (1835-1921) gelang am Samstag im Lorzensaal ein stilistisch geschlossenes Programm im Bereich der Romantik. Für die beiden Mendelssohn-Werke waren die Musiker der Zuger Sinfonietta unter sich.

Wie schon die Einführung (Lion Gallusser, Daniel Huppert und Matthias Michel) betonte, suchte Mendelssohn sowohl in der Hebriden-Ouvertüre, Opus 26, wie in der «italienischen» 4. Sinfonie, Opus 90, mit Ansätzen zur Programmmusik auch das lokale Kolorit. Starken Niederschlag fand bei ihm die Schweiz-Italien-Reise Goethes, mit welchem Mendelssohn persönlich befreundet war. Goethe beschrieb von der Rückreise in seinem Reisetagebuch mit wenigen Sätzen auch die Landschaft von Cham und die Übernachtung im Zuger Hotel Ochsen.

Auch Landratten fühlten sich ans Meer erinnert

Schon das Hauptthema der Hebriden-Ouvertüre – von den Violen und Celli angestimmt, schliesslich fast vom ganzen Orchester übernommen – erinnerte auch Landratten an das ruhelose Rauschen des nordischen Meeres. Der zweite Satz der «italienischen» Sinfonie stand im Gedenken von Carl Friedrich Zelter (1758-1832), den Mendelssohn als Lehrer sehr geschätzt hatte. Nach einer kurzen Einleitung dominierte jedoch – ähnlich wie bei Mozart – die feste Form gegenüber der emotionalen Aussage. Auf diesem Konzept fusste auch die Interpretation der übrigen Sätze. Mendelssohn suchte und fand nicht jene Absolutheit des musikalischen Ausdrucks, welche die kurz vorher entstandenen Beethoven-Sinfonien auszeichnet. Während Flöte und Fagott verschiedene thematisch interessante Einsätze erhielten, mussten sich die Blechbläser, mit Ausnahme des Trios im dritten Satz, mit wenigen Fülltönen begnügen. Ähnlich wie der junge Saint-Saëns schenkte der Komponist den damaligen Interpreten noch kein Vertrauen in die Beherrschung der eben erst erfundenen Ventiltechnik.

Interpretation lag nahe am Original

Selbstsicher meldete sich das damalige spanische Wunderkind Pablo de Sarasate (1844-1906) als 15-jähriger beim bereits anerkannten Camille Saint-Saëns und bat ihn um ein Violinkonzert. Aus der Zeit lang vor der Erfindung der Tonträger wissen wir nicht, wie virtuos Sarasate die zum Teil spieltechnisch horrenden Schwierigkeiten des Opus 20 bewältigt hat. Die Wiedergabe hat auf jeden Fall dem Komponisten gefallen. Neben schriftlichen Zeugnissen wird dies durch die Tatsache bestätigt, dass Saint-Saëns mit seinem Opus 28, «Introduction et Rondo capriccioso», ein weiteres Werk dem jungen Geiger gewidmet hat. Mit der Interpretation dieser beiden Werke durch Hyeyoon Park lag man auf jeden Fall nahe beim Original. Schon die Gestaltung der heiklen Mehrfachgriffe gleich zu Beginn dokumentierte jene spieltechnische Souveränität, welche den ganzen Auftritt zu einem eindrücklichen Erlebnis werden liess. Dazwischen fand die Solistin in den spieltechnisch weniger exponierten Zwischenteilen jene innere Ruhe, welche beim Nachvollzug auch ohne Unterbrechungen die Gliederung in verschiedene Sätze ermöglichte. Als Zugabe erklang ein schlichter Barocksatz, welcher andeutete, dass Hyeyoon Park auch für andere Stilepochen Gleichwertiges leisten kann.

Durch die konsequente Kontrolle der Zertifikatspflicht am Eingang fühlte man sich nach Konzertbeginn wie in Vor-Corona-Zeiten. Wie es für die Bewältigung des Andrangs notwendig war, wurden die Sitzreihen voll besetzt, und der Apéro ermöglichte zwischen Einführung und Konzert, in der Pause so wie nach Konzertschluss die lange vermissten Gespräche mit Freunden und Bekannten. (Jürg Röthlisberger)