Der Architekt im Jazzclub
Dies & Das, Musik
Werner Sutter hat das Stadtbild von Zug geprägt. Jetzt hat der bald 83-Jährige eine Konzertreihe im Jazzclub «Hidén Harlekin» ins Leben gerufen.
Zug – Über sich selbst möchte Werner Sutter eigentlich lieber nicht reden. Allenfalls noch über seine Arbeit als Architekt. Sutter, bald 83 Jahre alt und längst pensioniert, hat das Stadtbild von Zug massgeblich mitgeprägt. Sein Architekturbüro hat zum Beispiel in den 1990er-Jahren die Überbauung Grafenau westlich des Bahnhofs realisiert – die langen, mit weissen Metallpaneelen verkleideten Fassaden sind nicht zu übersehen.
Seine Handschrift trägt auch der Stadthof aus den 1980er-Jahren an der Kreuzung von Baarer- und Gotthardstrasse, ein markantes und kantiges Wohn- und Geschäftshaus, in dem die Ausgleichskasse beheimatet ist. Eine «gewisse Befriedigung» sei schon da, wenn er heute seine Arbeiten sehe, meint Sutter bescheiden, als er an diesem Nachmittag im Innenhof des «Grafenau»-Komplexes unter einer riesigen Eiche beim Kaffee sitzt.
Am liebsten würde Sutter aber über etwas reden, das – zumindest auf den ersten Blick – wenig mit der modernen Strenge und den klaren Linien seiner Architektur zu tun hat. Über Jazz. Über die «enorme Konzentration», die es brauche, frei zu improvisieren und doch die Struktur des Stückes nicht aus den Ohren zu verlieren. Über Jazz-Legenden, die Sutter in Zürich gesehen hat. Etwa den Trompeter Dizzy Gillespie: «Er musste meinen Stuhl besteigen, um im überfüllten Lokal auf die Bühne zu gelangen», erinnert er sich mit einem Schmunzeln. Oder über die Phrasierungskunst eines Louis Armstrong, der «sogar aus einem Kinderlied Jazz machen konnte». Keine Frage: Hier sitzt einem ein eingefleischter Jazz-Fan gegenüber.
«Die gesündeste Droge der Welt»
Jazz begleitet Sutter seit seiner Studienzeit in Zürich. Schon als junger Student spielte er Trompete in einer Jazz-Band, heute singt er in einem Amateur-Septett, für das er auch die Arrangements schreibt. In diesem Jahr hat Sutter zudem eine kleine Konzertreihe initiiert im Jazzclub «Hidén Harlekin» an der Bahnhofstrasse in Zug, dessen Eröffnung im Frühjahr 2023 dem Jazz-Fan natürlich nicht entgangen ist und dessen Ambiance ihn begeistert hat.
«International Guest Stars» heisst das Format. Zwei Konzerte haben dieses Jahr bereits stattgefunden, ein drittes steht am Mittwoch, 25. September, an. Und tatsächlich, es ist eine internationale Truppe, die sich die Bühne teilen wird: der Deutsch-Amerikaner Chris Hopkins, die Australierin Nicki Parrott, der Finne Antti Sarpila und der Holländer Tijn Tommelen. Dabei handelt es sich um eine neu formierte, zeitlich befristete «Ad-hoc-Gruppe», wie Sutter es nennt, die in Zug eine kleine Tournee startet.
Wie ist es dazu gekommen? Er besuche regelmässig Workshops, die von internationalen Jazz-Grössen geleitet werden, erzählt Sutter. Über die Jahre seien so zahlreiche Freundschaften mit Topmusikern entstanden. Schon früher hat er auf diesem Weg für den einen oder anderen Gast aus dem Ausland Background-Bands zusammengestellt und einige Auftritte, mal private, mal öffentliche, ermöglicht. Auch für die Konzerte im «Hidén Harlekin» greift Sutter auf dieses Netzwerk zurück. Er sieht sich dabei lediglich als Vermittler. «Ich bin kein Organisator. Ich bringe nach Möglichkeit, wohlverstanden ehrenamtlich und auch zu meiner Freude, einfach Musiker zusammen», sagt er.
Manchmal kommt es an diesen Konzerten sogar vor, dass Sutter für ein, zwei Stücke mit auf der Bühne steht. Es sei etwas vom Grössten für ihn. «Mit solchen Musikern zu singen, das beflügelt richtig. Man stimuliert sich gegenseitig, wird frei und locker», schwärmt er und sucht nach einem Vergleich: Wie Skifahren an einem unberührten Hang bei schönstem Wetter sei es. Und: «Es ist die gesündeste Droge der Welt.»
Was Jazz und Architektur gemeinsam haben
Sein Engagement beim «Hidén Harlekin» sieht Sutter dabei als Anschub für den Club. Und natürlich hofft er, dem Jazz so zu etwas mehr Öffentlichkeit zu verhelfen. «Leider fristet Jazz im Vergleich zur klassischen Musik etwa immer noch ein Nischendasein.» Dazu kommt, so Sutter, dass der Begriff Jazz heute über alle Massen strapaziert werde und ein grosses Musikspektrum umfasse. «Jazz ist keine Modeerscheinung und hat vorab auch nichts mit Stilen zu tun. Es ist eine im 20. Jahrhundert entstandene Konzeption, Musik zu machen.»
Für die Spontaneität und Lockerheit des Jazz hat es in der Architektur indes wenig Platz. Hier sind vielmehr klare Strukturen, ein bewusster Entscheidungsprozess und dauerhafte materielle Resultate gefragt. «Architektur ist keine freie Kunst wie Musik. Ein Gebäude ist für die menschliche Nutzung geschaffen», sagt Sutter.
Aus seiner Sicht gibt es aber durchaus Verbindungen zum Jazz. In beiden Bereichen gehe es letztlich um Gestaltung, um Strukturierung, um Proportionierung. «Architektur spielt sich innerhalb der Dimension Raum ab, Musik innerhalb der Dimension Zeit», erklärt Sutter und vergleicht die Säulenordnung in den langen Hallengängen in der Grafenau-Überbauung mit dem Beat, dem regelmässigen Takt der Musik. Dann hält Sutter inne, sinniert und meint: «Aber eigentlich ist es gar nicht so kompliziert. Am Ende geht es einfach um gute Musik.» (Text: Tobias Söldi)