Antonín Dvořák und seine Nachfolge

Musik

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Das Ensemble Chamäleon spielte in der Gewürzmühle Werke von Antonín Dvořák, Josef Suk und Alexander Zemlinsky. Die ausgezeichneten Interpretationen führten von der Romantik bis zur Schwelle an die Moderne.

Zug – Wie schon Peter Hoppe in den Einleitungsworten zeigte, überschnitten sich nicht nur die Lebensdaten der drei Komponisten, sie waren auch durch persönliche Beziehung und Wohnort miteinander verbunden. «Prachtkerl!» soll Antonín Dvořák (1841–-1904) ausgerufen haben, als er die ersten Kompositionen seines Schülers und späteren Schwiegersohnes Josef Suk (1874–1935) gehört hatte. Dies wurde auch zum Motto des ganzen Konzerts.

Alexander Zemlinsky (1871 bis 1942) war den beiden andern Komponisten nicht näher persönlich bekannt. Aber er lebte auch in Wien, Prag und in Amerika. Als Nachromantiker und Schwager war er der Lehrer von jenem Arnold Schönberg, der später mit dem radikalen Bruch in die Zwölftontechnik die musikalische Moderne einleitete.

Zwei Trios erklangen in der seit vielen Jahren unveränderten Chamäleon-Kernbesetzung aus Tobias Steymans, Violine, Luzius Gartmann, Violoncello und Madeleine Nussbaumer, Klavier. Das an erster Stelle gespielte Klaviertrio c-Moll, Opus 2, zeigte deutlich, dass Josef Suk schon in den frühen Werken gegenüber seinem Lehrer Dvořák durchaus einen selbstständigen Kompositionsstil pflegte. Über die Qualität der musikalischen Erfindung hinaus wusste er genau, was Streicher gerne spielen.

Mit grosser Handspannung erreichte Tobias Steymans auch die extrem hohen Töne weit über dem Instrumentenkorpus, und Luzius Gartmann freute sich über weite Sprünge in die Oktave und manchmal sogar darüber hinaus. In den Terzparallelen des zweiten Satzes gelang mit dem Einschub einer Sekunde genau die angemessene Abgrenzung gegenüber der Sentimentalität.

Stimmungsvoll und werkgerecht

Was bei der Kompositionsstruktur von Josef Suk vielleicht etwas vorenthalten wurde, folgte dann im D-Moll-Trio von Zemlinsky, Opus 3: Ein virtuos gesetzter und technisch anspruchsvoller Klavierpart, wie er Madeleine Nussbaumer gefällt, die Laienspieler in den meisten Fällen aber überfordert. Stimmungsvoll und werkgerecht erschienen der zweite und dritte Satz mit Anklängen an den vom Komponisten hochverehrten Johannes Brahms.

Das Dauerforte im ersten Satz entsprach wahrscheinlich dem Konzept: Häufig spielten die beiden Streicher nämlich in Oktavparallelen, oder der Cellist hatte fast die gleichen Noten wie die linke Hand des Klaviers, beides Zeichen dafür, dass der Komponist selbst in der Triobesetzung eine möglichst orchestrale Wirkung suchte.

Tiefgründiger erschien nach der Pause das Klavierquartett in D-Dur, Opus 23, von Antonín Dvořák. Zur Kernbesetzung gesellte sich die Bratschistin Natalia Mosca, was aber kein Problem war, weil sie schon bei verschiedenen anderen Gelegenheiten im «Chamäleon» mitgespielt hatte. Das vom Cello angestimmte Eingangsthema aus wenigen Tönen wuchs bald über sich hinaus und es bildete ein in gleicher Weise spieltechnisch und musikalisch anspruchsvolles Stimmengeflecht. Auch die weiteren Sätze brachten das, was den Kern des romantischen Klavierquartetts ausmacht: Ein virtuoser Klavierpart, welcher die harmonische und stimmungsmässige Landschaft für die drei Streicher bietet, darauf die verschiedenen Themen anzustimmen. Seltsam ein einziger Punkt: Dvořák war von Haus aus Bratschist. Den Part für die Viola gestaltete er aber recht dürftig. Insbesondere überliess er fast alle konzertanten Überleitungen dem Cello, dies auch dort, wo es von der Tonlage her für die Bratschenstimme genau so gut möglich gewesen wäre.

Noch ein Bezug fast in die Gegenwart: Bis vor wenigen Jahren spielte an den Luzerner Festwochen mehrmals ein Violin- Solist namens Josef Suk (1929 bis 2011), Enkel des Komponisten ­Josef Suk und Urenkel von Antonín Dvořák. (Jürg Röthlisberger)