«Es ist wie im Märchen hier oben»

Kunst & Baukultur

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Zehn Tage lang frönen sieben Russen und vier Schweizer in Engelberg der Pleinairmalerei. Das von einer Zugerin initiierte Projekt führt Künstler aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammen.

  • Malen unter freiem Himmel: Vladimir Nazarenko ist einer von sieben Künstlergästen aus Russland, die in Engelberg zehn Tage lang die Landschaft abbilden. (Bild: Manuela Jans-Koch)
    Malen unter freiem Himmel: Vladimir Nazarenko ist einer von sieben Künstlergästen aus Russland, die in Engelberg zehn Tage lang die Landschaft abbilden. (Bild: Manuela Jans-Koch)

Zug – Auch ein trüber Himmel und ­wolkenverhangene Berge halten einen Landschaftsmaler nicht von seiner Arbeit ab – im Gegenteil, manch einem gelingen so erst recht stimmungsvolle Bilder. Seit vergangenem Samstag sind in und um Engelberg Künstlerinnen und Künstler mit Staffelei ­anzutreffen. Fleissig bilden sie Panoramen und Detailansichten des Hochtals ab, die bislang fehlende Sonne ist kein Hindernis.

Im Rahmen eines internationalen Freilichtmalereiprojektes haben sich sieben russische und vier Schweizer Künstlerinnen und Künstler im Hotel Waldegg einquartiert. Zweck der Aktion ist der erbauliche Austausch zwischen Ost und West auf künstlerischer Ebene. Initiantin ist Ljiljana Putincanin, Malerin aus dem Kanton Zug und selbst aktive Teilnehmerin. Es ist ihre persönliche Antwort auf ein ähnliches Austauschprojekt im vergangenen Jahr, als vier Schweizer Kunstschaffende, darunter auch Putincanin, auf Einladung des russischen Ministeriums für Kultur ins Künstlerstädtchen Pljos an der Wolga geladen wurden, um sich zwei Wochen lang der Pleinairmalerei zu widmen.

Kunst im Hotel

Dank wertvollen Kontakten gelang es Ljiljana Putincanin, namhafte Künstlerinnen und Künstler aus Russland nach Engelberg zu holen. Zu ihrem Netzwerk gehö­ren auch das Engelberger Hotel Waldegg und dessen Direktor Manolito Birrer, der seit jeher sehr offen für Kunst ist und die Räume in seinem Haus regelmässig für Hängungen zur Verfügung stellt. Es ist ihm eine Freude, die malenden Gäste aus Russland und der Schweiz in seinem Haus unterzubringen und den Saal im ersten Stock für die grosse Vernissage am Ende des Projektes zur Verfügung zu stellen. Unterstützt wird es vom Kanton Obwalden sowie der Gemeinde Engelberg. Die örtliche Primarschule profitiert zudem vom kulturellen Austausch: Kinder dürfen den Künstlerinnen und Künstlern wiederholt beim Arbeiten zuschauen.

Inspiration durch Landschaft und Luft

Auf der Terrasse dieses Saales zieht derweil Vladimir Nazarenko gekonnt den Pinsel über die Leinwand. Er ist dabei, die Ansicht Richtung Arni abzubilden. Nazarenko ist Mitglied der russischen Künstlervereinigung und doziert unter anderem am Kunstcollege von Yaroslavl. Auch seine anderen Landsleute haben einen akademischen Hintergrund und sind in Russland und teils weit über dessen Grenzen hinaus bekannt. Landschaft und Luft des Engelbergertals behagen ihnen und wirken sich inspirierend auf ihre Arbeit aus, wie sie unisono sagen. «Es ist wie im Märchen hier oben», schwärmt etwa Vladimir Nuzhdin aus Priwolschsk, dessen Kunst auch in Deutschland, Frankreich, Serbien, Tschechien und in den Niederlanden ausgestellt worden ist. Auch für den in Spanien wohnhaften Russen Vladimir Volegov bringt Engelberg neue Erfahrungen, obschon er Pleinairmalerei zwar gewohnt ist, aber die reine Landschaftsvedute fällt weniger in sein übliches Tätigkeitsfeld, zumal er hauptsächlich Menschen abbildet.

Für die Zugerin Andrea Bösiger und die Nidwaldnerin Doris Windlin ist die Landschaftsmalerei unter freiem Himmel bisher ein wenig bekanntes Gebiet, liegen ihre künstlerischen Schwerpunkte sonst woanders. Doch für beide sind die Tage in Engelberg bisher eine Bereicherung, nicht zuletzt auch durch den wertvollen Austausch mit den Gästen aus Russland. Ein Quasi-Heimspiel hingegen bedeuten die Pleinair-Tage im Obwaldner Dorf für den Luzerner Maler Lorenz Huber, dessen Gemälde hauptsächlich im Hochgebirge vor Ort entstehen.

Das Klosterdorf in allen Varianten und Farben

Auf den Tischen im Saal liegen fertige Öl- und Acrylgemälde zum Trocknen. Jedes trägt die individuellen Züge seiner Urheberschaft; da fein und sanft der Pinselstrich, dort pastos und grosszügig aufgetragen, einmal nahezu fotorealistisch, dann wieder impressionistisch – das Klosterdorf und seine Umgebung in allen Varianten und Farben.

Organisatorin Ljiljana Putincanin ist glücklich über den bisherigen Verlauf der Pleinair-Tage. Die Begeisterung seitens Künstlerschaft wie auch das grosszügige Wohlwollen seitens Hoteldirektion bestätigt sie in ihrem Einsatz, Künstler unterschiedlicher Kulturen zusammenzuführen. Die reichen Früchte ihrer Arbeit werden am Dienstag, 28. Mai, um 18 Uhr im Hotel Waldegg ob Engelberg der Öffentlichkeit präsentiert. Die neu entstandenen Kunstwerke können erworben werden. (Andreas Faessler)