Wenn Kinder in der Cloud tanzen

Theater & Tanz

,

Das fünfte Young Dance Festival wurde mit einer Performance über virtuelle und reale Räume eröffnet.

  • Schüler zeigten im Theater Casino die Tanzaufführung «Cloud» zur Eröffnung des Tanzfestivals. (Bild Stefan Kaiser)
    Schüler zeigten im Theater Casino die Tanzaufführung «Cloud» zur Eröffnung des Tanzfestivals. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Auf der schwarzen Bühne des Theater Casinos hängt an einem hohen Mast einer der weltbesten Pole-Tänzer, Nhât-Nam Lê aus Vietnam. Eine junge blonde Tänzerin, die 13-jährige welsche Sasha Gravat-Harsch, träumt am Fuss der Stange auf dem Boden liegend sehnsüchtig zu ihm hoch. Er hat ihr die Kopfhörer abgenommen, die sie bisher getragen hat. Und ein wenig später schenkt er ihr ein Kerzenlichtlein: Können sie sich begegnen? Das fragt man sich im Publikum.

Kurz zuvor haben sich 25 Jugendliche durch den Raum bewegt, dabei gestisch ihre PCs angebetet oder in ihre Handys getippt, mit einem imaginären Fernglas ins Universum geblickt oder zu rüttelnder Discomusik getanzt, sind spaziert, gerannt, hingefallen, wieder aufgestanden. Alle aufgezogen wie Puppen, gleichgeschaltet – sogar der Schrei, den sie einmal ausstossen, erklingt unisono.

Lang gehegter Traum der Festivaldirektorin

Die Instruktionen zu ihrer Performance kommen aus den blau leuchtenden Kopfhörern, die alle ausnahmslos tragen. Eine erwachsene Figur, dargestellt von der griechischen Tänzerin Evita Pitara, hingegen trägt keines dieser Geräte, sie wird nach einer Weile von der Gruppe aggressiv ausgestossen. Als dann plötzlich alle leblos auf der Bühne liegen, wandert ein älterer Mann, der Schauspieler-Musiker Eric Linder, durch ihre Reihen, hebt Arme auf, erhält keine Reaktion. Dazu erklingt ein langes Gedicht, ein «Pseudo-Brief», der das Thema vertieft, um das es geht: «Ernährst du dich von bunten Pillen, denen du Hundenamen gibst?» oder «Fühlst du dich genauso verloren wie ich?».

Die Eröffnungsperformance des fünften Young Dance Festivals namens «Cloud» ist eine Choreografie von Perrine Valli aus Genf. Sie thematisiert die Spannung zwischen Virtualität und Realität, welche die heutige Gesellschaft dominiert und gerade junge Menschen in halbwirkliche Cyberspaces entführt.

Mit diesem Tanzprojekt ging ein lang gehegter Traum der Festivaldirektorin Anu-Maaria Calamnius-Puhakka in Erfüllung, nämlich die proaktive Kollaboration zwischen Künstlern und Kindern: Die tanzenden Jugendlichen sind Sechstklässler des Schulhauses Riedmatt in Zug. «Es gibt sehr wenige Vermittlungsprojekte dieser Art», erzählt Calamnius. Seraina Sidler-Tall aber hat die Schulklassen betreut und schildert den Werdeprozess: «Die Kinder haben selber gestisches Material gefunden, das aus ihrem Alltag mit Chats und Games stammt. Zudem hatten sie Formationen und Tempowechsel zu memorieren. Die Anweisungen aus den Kopfhörern führen zu Aktion und Reaktion im Moment.»

Klassenlehrer Thomas Bächler, der die Arbeit seiner Schüler mit den Profis mitverfolgt hat, ist begeistert: «Es war einmalig! Die Kinder wurden stark herausgefordert, mussten unter professionellen Bedingungen innert Kürze sehr viel lernen. Ich staune, wie belastbar sie waren und wie nachhaltig dabei ihr Selbstwertgefühl gestärkt wurde.»

Die unzähligen Primarschüler im Publikum nahmen die einstündige Performance intensiv auf. Ein nicht enden wollender Applaus bestätigt die Festivalmacherinnen in der eingeschlagenen Richtung. (Dorotea Bitterli)

Hinweis
Alle Veranstaltungen des Young Dance Festivals bis zum 14. September 2019 sind zu finden auf www.youngdance.ch