Der Maler, den man riechen kann

Kunst & Baukultur

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Der Künstler konnte nicht dabei sein – trotzdem wurde seine Vernissage auf dem See und an Land gefeiert.

  • Urs Reichlin und Kapitänin Zanny Zaum schauen die Bilder an. (Bild Stefan Kaiser)
    Urs Reichlin und Kapitänin Zanny Zaum schauen die Bilder an. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Er trägt dick auf, der Maler Christopher Lehmpfuhl. Wir sprechen hier aber von Ölfarbe: Der gebürtige Berliner stellt seine Werke seit über 20 Jahren erfolgreich und international aus, seit Freitag auch in der Galerie Urs Reichlin in Zug. Dort zelebrierte man den Neuzugang angemessen mit einer Bootsfahrt und anschliessendem Apéro in der Galerie.

Der Künstler arbeitet praktisch ausschliesslich unter freiem Himmel, er verwendet keine Pinsel, er malt mit den Fingern, manchmal mit der Hand und er tut dies stets spektakulär. Die Motivwahl mag konservativ erscheinen – oft einfach Landschaften –, aber wenn Lehmpfuhl malt, dann ist es nicht mehr «einfach eine Landschaft», sondern ein Spektakel für die Sinne. Durch die Art und Weise, wie der 49-Jährige mit (Finger)strich und Farbe umgeht, das Spiel mit den Perspektiven, die Kompositionen ... man kann in seine Bilder eintauchen, man kann den Wind spüren, das Gras riechen. Egal, wie kalt, nass oder garstig das Wetter sein mag: Christopher Lehmpfuhl sitzt draussen und malt. Je extremer die Wettersituation, desto enthusiastischer der Maler. Und genau diese Leidenschaft in Kombination mit seinem Talent machen die Bilder von Lehmpfuhl spektakulär. Und weil es Ölfarbe ist und Christopher Lehmpfuhl diese in aller Regel viele Zentimeter dick aufträgt, riecht ein Bild von Lehmpfuhl.

Die Vernissage fand in zwei Teilen statt, zu Wasser und auf dem Land. Passenderweise fuhr man mit der MS Schwan beinahe dieselbe Route, wie dies auch Lehmpfuhl getan hatte, vom Hafen zur Halbinsel Buonas am Zugersee, dann Oberwil und wieder zurück. Denn der Maler verewigte einige typische und weniger typische Sujets von und um Zug auf Leinwand auf just genau diesem Schiff. Urs Reichlin erinnert sich: «Er sagte uns, dass er ein fotografisches Gedächtnis habe, und daher würde er nicht viel Zeit brauchen, um ein Sujet zu memorieren.»

Entsprechend war Thema Nummer 1 unter den geladenen Gästen eben genau diese Art und Weise, wie Lehmpfuhl arbeitet. Unter den gut 30 Anwesenden natürlich auch grosse Verehrerinnen und Verehrer des Künstlers; manche reisten extra aus Hamburg und Berlin an. Zug Tourismus hätte seine helle Freude an dem Wasserspektakel gehabt. Allein durch die Tatsache, dass Kapitänin Zanny Zaum absolut sattelfest in Zuger(see)-Geografie war und ergo jeden Busch am Ufer, jeden Stein an der Bucht und natürlich alle Inseln kannte und dazu immer etwas zu sagen wusste.

Die MS Schwan ist kein alter Kahn

Die MS Schwan ist nicht einfach irgendein alter Kahn, welcher viel Zuwendung braucht, sondern ein Schiff mit unglaublich viel Charme, Stil und Geschichte. Das Schiff wurde im Jahr 1918 in Hamburg gebaut und zählt heute zu den ältesten Motorschiffen auf Schweizer Gewässern. Damit das auch so bleibt, braucht es Geld. Daher machte die Galerie Urs Reichlin die Fahrt nicht nur zu einer «Studienrundfahrt» fürs geladene Publikum, sondern auch zu einer Charity-Aktion. 20 Monotypien von Christopher Lehmpfuhl mit dem Sujet MS Schwan konnten und können käuflich für 800 Franken erworben werden. Davon gehen 500 Franken in die Revisionskasse des Vereins MS Schwan. Bereits an der Vernissage wurde die Hälfte dieser exklusiven Aquarelle verkauft.

Der Künstler war da – auch wenn er nicht da war

Danach Dislokation in die Galerie. Spektakuläre Bilder in den hohen und luftigen Räumlichkeiten. Der unverkennbare Ölfarbengeruch: hier in voller Konzentration und mit ganzer Wucht. Durchaus im Sinne des Galeristen und des Künstlers, denn wenn Lehmpfuhl, dann richtig – und irgendwie war dadurch eine Präsenz des Künstlers in absentia spürbar. Vor Ort konnten die geladenen Gäste komplett in die Welt des Malers eintauchen.

Wie an Vernissagen üblich wurden bei Champagner und Sushi einzelne Episoden rund um Christopher Lehmpfuhl ausgetauscht. Der Grundtenor: Kaum ein Künstler ist trotz Erfolge so auf dem Boden geblieben. Schnell wurden die ersten orangen Kleber bei den Bildern angebracht, das unumstössliche Zeichen für «verkauft». Erneut beeindruckend: Betrachtet man die Bilder von der Seite – was in der Galerie gut möglich war –, sieht man die zentimeterdicke Farbe auf der Leinwand. «An manchen Stellen braucht die Ölfarbe weit über zehn Jahre, bis sie effektiv durchgetrocknet ist», erklärt Reichlin. Einen Lehmpfuhl kann man also lange riechen und das ist fantastisch. (Haymo Empl)