Trotz Distanz zum Wir-Gefühl

Vermittlung

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Ein Musikvideo mit Hunderten Schüler*innen drehen trotz Abstandsregeln und Sicherheitskonzept? Das ist eine ziemlich aufwendige Büez. Dass sich ein solches Projekt dennoch lohnt, hat die Schule Menzingen gerade bestens bewiesen.

  • Zusammen singen, trotz Distanz: Schülerinnen und Schüler der Schule Menzingen
    Zusammen singen, trotz Distanz: Schülerinnen und Schüler der Schule Menzingen

Menzingen – Ein Schulprojekt, bei dem gesungen und getanzt wird und bei dem insgesamt 400 Kinder, vom herzigen Chindsgikind bis zum pubertären Sekschüler, mitmachen? Das klingt, als stamme es aus einer anderen Zeit. Aus einer, in welcher der Begriff «Social Distancing» noch für Schulterzucken sorgte und Masken höchstens mit der ­Fasnacht in Verbindung gebracht wurden. Aber nein. Das musikalische Gemeinschaftswerk der  Schule Menzingen entstand mitten in der Pandemie.

Immer mit dem nötigen Abstand
Das erarbeitete Video wirkt zunächst recht einfach: Ein Chor von Kindern interpretiert das Lied «The Champion» von Carrie Underwood. Die Kids singen, tanzen, rappen vor unterschiedlichen Hintergründen. Alles Corona-konform, mit dem nötigen Abstand.
Der Hünenberger Filmemacher Michael Werder, der zuständig war für die Bildaufnahmen des Menzinger Projekts, erklärt: «Meine Frau, die als Lehrerin an der Schule Menzingen arbeitet, hatte dieses Projekt angerissen. Dies, nachdem man beschlossen hatte, dass aufgrund der ­Pandemie kein gemeinsamer Schulabschluss ­stattfinden könne.» Regula Werder fand eine Alternative. «Es entstand die Idee, dass die Schulklassen einzeln ein Lied erarbeiten, welches zwar separat aufgenommen, jedoch später zu etwas Gemeinsamem zusammengeführt wird», sagt Michael Werder.

Komplexes Projekt
«Obwohl das Video auf den ersten Blick simpel aussieht, handelt es sich um ein ziemlich aufwendiges Projekt. Ich konnte nicht einfach drauflosfilmen, da wir die Corona-Regeln zu befolgen hatten. Ein Umstand, der einen beträchtlichen organisatorischen sowie logistischen Aufwand mit sich brachte.» Werder weiter: Nachdem die einzelnen Klassen das Stück während mehrerer Wochen geübt hatten, wurden diese gefilmt. «Damit die Klassen möglichst wenig Aufwand hatten, war der Zeitplan ziemlich durchgetaktet. Mit jeder Gruppe nahmen wir zwei bis drei Takes auf, bei denen die Kinder das Lied jeweils ganz durchsangen», sagt Werder. «Es war schön zu sehen, wie die Kinder bei jedem Durchgang mehr auftauten und motivierter wurden.»
Jeweils drei Videoaufnahmen in insgesamt 21 Klassen, dazu kamen die entsprechenden Tonaufnahmen. «Ich habe das Lied ‹The Champion› somit etwa 100 Mal von A bis Z gehört», sagt der Filmemacher, lacht und fügt an: «Was wiederum Unmengen an Filmmaterial hervorbrachte.»

Grosses Zusammenfügen
Die richtige Büez begann deshalb erst nach dem Filmen: «Dann nämlich ging’s ans Schneiden. Wir hatten den Anspruch, dass jede Klasse zumindest in einem Bild zu sehen ist. Und die Bilder wiederum mussten jeweils zum Ton passen.»
Während des knapp fünfminütigen Films hört man nämlich nicht nur einen einzigen Chor, sondern immer mal wieder auch nur einzelne Klassen. «Die älteren Schüler*innen rappten, andere spielten Instrumente oder sangen, je nach Stufe, nur gewisse Teile des Liedes. Dass das musikalisch nicht in einem grossen Kuddelmuddel endete, ist Tonmeister Silvan Gretener zu verdanken», sagt Werder.

Gestaffelt auf die Wiese
Am Ende des Videos stehen 400 Schüler*innen auf und neben dem Sportplatz und werden von einer Drohne gefilmt. «Aus schutztechnischen Gründen durften die Klassen nicht durchmischt werden. So kamen alle nacheinander auf den Platz, wir filmten eine halbe Stunde, danach verliessen die Klassen erneut gestaffelt die Wiese», erklärt der Filmemacher.

Bereits auf der Zielgeraden
Flurin Egler ist Lehrer an der Schule Menzingen. Als der Film im Juli entstand, befanden sich seine Schüler*innen der 3. Oberstufe bereits auf der schulischen Zielgeraden. «Weil alle bereits Anschlusslösungen hatten und ausserdem kein Schullager stattfand, hatten wir mehr Zeit als andere, uns mit dem Projekt zu befassen.» Sie erarbeiteten deshalb den komplexeren Mittelteil des Liedes, der gerappt wird.
Mitten in der Pubertät, in einem Alter, in dem es Menschen in der Regel schwer fällt, über den eigenen Schatten zu springen: Wie war’s da mit der Motivation? «Tatsächlich haben das meine Schüler sehr gut gemacht. Sie waren gegenüber dem Experiment sehr positiv eingestellt. Das ist in diesem Alter nicht selbstverständlich», sagt Egler.
Der Lehrer war gleich doppelt involviert im Projekt. Seine Band Thin and Crispy übernahm die instrumentale Begleitung des Stücks. «Ein pragmatischer Entscheid», sagt Egler. «Es wäre ideal gewesen, wenn das die Schüler gemacht hätten, doch wäre der Zeitaufwand enorm gewesen. Da wir als Band sowieso miteinander probten und Zeit hatten, übernahmen wir das.» Für die Arbeit von Initiantin Regula Werder findet er lobende Worte: «Es hat sehr viel Planung gebraucht, bis dieses Projekt mit allen Schutzvorkehrungen funktionierte und sich überdies auch noch hören und sehen lässt.» Auch die Behörden hätten sehr gut mitgespielt. «Das Rektorat etwa musste sehr genau hinschauen, welche Möglichkeiten trotz Schutzkonzept bestehen. Dass dieses eingehalten wird, war uns allen ein Anliegen.»
(Text Valeria Wieser)