Ein Tagesverlauf in Farbe

Kunst & Baukultur

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Wo vor 130 Jahren grosses Unglück über die Stadt hereinbrach, schimmert heute lebensbejahende Farbenpracht. Die Wandmalerei «Trompe l’œil» von Maria Bettina Cogliatti spielt mit der Wahrnehmung.

  • «Trompe l’œil» säumt die «Katastrophenbucht» mit einer geschickten Warm-Kalt-Farbabfolge. (Bild: Maria Schmid)
    «Trompe l’œil» säumt die «Katastrophenbucht» mit einer geschickten Warm-Kalt-Farbabfolge. (Bild: Maria Schmid)

Zug – Seit 20 Jahren buhlt die kräftige Wandbemalung der Quaimauer an der «Katastrophenbucht» mit dem beschaulichen Seepanorama um die Blicke der Passanten. Der hier mit schwerem Beton überdachte Fussweg direkt dem Wasser entlang war bereits um 1994 farblich gestaltet worden. Im Rahmen des Projektes «Wohnraum Stadt» verpassten Kinder der Heilpädagogischen Schule Neustadt unter der Leitung der Zuger Künstlerin Maria Bettina Cogliatti (*1957) der lang gezogenen Betonfläche einen neuen, farblichen Akzent. Doch dauerte es nicht lange, bis wüstes Sprayergeschmier die Malereien verunstaltete – zum Verdruss der Leute, der Künstlerin und vor allem der Kinder. Es gab Bemühungen, einen Teil der Malereien zu retten, doch liess man letztendlich davon ab.

 

1998 beauftragte die Stadt erneut die Künstlerin Cogliatti, die Wand zu gestalten. Wie bereits vier Jahre zuvor sollten Schulkassen miteinbezogen werden. Doch mangels Teilnahmebereitschaft entschied sich die Künstlerin, das Werk alleine in die Hand zu nehmen – die Ausführung erfolgte in Kooperation mit dem Zuger Maler Klaus Wettstein. Die Stadt Zug räumte dem Gespann ein Zeitfenster von 140 Stunden ein. Maria Bettina Cogliatti konzipierte ein Gesamtwerk, welches der mit Fensternischen durchbrochenen, streng gegliederten Betonkonstruktion eine durch und durch positive, lebensbejahende Ausstrahlung geben sollte. Nicht zuletzt auch im Kontrast zum einschneidenden Unglück von 1887, als an dieser Stelle eine ganze Häuserreihe in den See rutschte und mehrere Menschen das Leben kostete.

 

Mit ihrer flächendeckenden Malerei gab Maria Bettina Cogliatti der Betonwand nicht nur eine neue Identität, sondern verlieh ihr mit dem geschickten Einbinden der Nischen gleichsam eine lebendige Plastizität mit variierend perspektivischer Tiefe – deshalb der passende Werkname «Trompe-l’œil». Die leuchtende Malerei setzt sich zusammen aus einer Abfolge von «warmen» und «kalten» Farbtönen – deren 21 sind es insgesamt. Auf drei Felder mit warmen Farbnuancen folgen zwei Felder mit kühlerer Charakteristik und so fort. Die Anordnung der geometrisch unterschiedlichen Farbfelder lässt das Wandgemälde ganzheitlich betrachtet gegen den Alpenquai hin tendenziell kühler erscheinen und vorstadtseitig wärmer. Mit dieser Gewichtung lehnt sich die Künstlerin an den Verlauf des Tages an.

Wie die Vorbeikommenden die grossflächige Malerei wahrnehmen sollen, gibt die Künstlerin bewusst nicht vor. Ob es einfach als farbenfrohe «Begleiterscheinung» beim Spazieren am See aufgenommen wird, ob man davor verweilt oder es bewusst betrachtet – es ist jeden freigestellt. Wichtig ist, dass «Trompe-l’œil» etwas Positives vermittelt. Und diese Mission erfüllt das Werk zweifellos. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.