Mit Humor bricht das Pathos

Kunst & Baukultur

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Das Kunsthaus Zug hat den Humor in der Kunstgeschichte erforscht: Die«Komödie des Daseins» zeigt zum Thema über 300 Exponate aus der Schweiz und Europa.

  • Hinter der Heiterkeit stecken oft Ernst und Tiefgründigkeit: Mit der grossangelegten Ausstellung «Komödie des Daseins» macht sich das Kunsthaus Zug auf die Spuren des Humors in der Kunst der vergangenen 2500 Jahre. (Bilder Maria Schmid)
    Hinter der Heiterkeit stecken oft Ernst und Tiefgründigkeit: Mit der grossangelegten Ausstellung «Komödie des Daseins» macht sich das Kunsthaus Zug auf die Spuren des Humors in der Kunst der vergangenen 2500 Jahre. (Bilder Maria Schmid)

Zug – Im Kunstmuseum geht es meist still und leise zu. Man schaut und lässt sich belehren, lautes Lachen hört man selten. Im Kunsthaus Zug darf nun in der Sonderausstellung «Komödie des Daseins» laut gelacht, gekichert oder geschmunzelt werden. Bei manchen Exponaten wird einem aber das Lachen im Halse stecken bleiben, denn Situationskomik und existenzieller Schrecken liegen oft nahe beieinander – auch in der Kunst. Gemeinsam ist allen Arbeiten das Brechen des künstlerischen Pathos.

«Die Geschichte des Humors in der Kunst – ein grosses Thema und bisher wenig erforscht», sagte Direktor Matthias Haldemann letzten Donnerstag. «Für unser kleines Haus ist das ein Riesenprojekt und eine der grössten Ausstellungen.» Von ihm kuratiert, basiert diese auf einer jahrelangen Forschungsarbeit des Hauses über die Kunstgeschichte des Humors, die den Bogen von der Antike bis heute spannt. Gezeigt werden über 300 Exponate; es sind Leihgaben aus grossen Museen der Schweiz und Europa sowie Werke der eigenen Sammlung – Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien, Zeitschriften, Videos, Vasen. Vertreten sind bedeutsame Namen wie Brueghel d. Ä., Cattelan, Cranach, Goya, Daumier, ­Ensor, Hogarth, Klee, Man Ray, Duchamp, Warhol, Picasso, Oppenheim, Signer, Tinguely, Ai Weiwei und zahlreiche weitere.

Der Titel der Ausstellung verweist laut Matthias Haldemann auf den Philosophen Friedrich Nietzsche, der das «ungeheuerliche Leben als Komödie des Daseins» beschrieben hat, dem das Individuum nur mit Lachen und Tanzen begegnen könne. Freie Geister müssten lachen können – auch über sich selbst. Humor und Kunst seien aber schon lange vorher in Beziehung gestanden.

«Das ganze Forschungsprojekt erfuhr allerdings eine ernste Zäsur. Der Realitätsbezug wurde uns durch die tragischen Attentate in Paris und Dänemark bewusst. Für die Gesellschaft sind Humor und Freiheit existenz­iell», betont Haldemann an der Medienkonferenz.

Jeder Raum birgt eine bemerkenswerte Vielfalt an Exponaten. Die Ausstellung ist bewusst nicht starr chronologisch angeordnet, vielmehr ist der Fokus auf bestimmte Epochen und Themen ausgerichtet, besonders auf die beginnende Moderne.

Vom Spottbild bis zur Karikatur

«Lachen ist Medizin«, so Haldemann. «Spöttisches Lachen wurde früher allerdings als teuflisch angesehen, nur seliges ­Lachen war akzeptiert.» Dennoch zeigt sich unter dem Motto «Humor als Waffe», dass schon immer mit witzreicher Kunst gegen Autoritäten und Unterdrückung angekämpft worden ist. Da gibt es mittelalterliche Flugblätter und Spottbilder anonymer Künstler, die das Machtstreben von Kaiser und Papst kritisieren. George Grosz (1893–1959) inspiriert das Hadern mit der Religion zu seiner umstrittenen Verspottung des Kreuzes, so wie auch Berthold Löffler (1874–1960) zu «Lucifer».

Und gegen Napoleon und ­andere weltliche Mächte hat etwa Honoré Daumier mit bissigen ­Karikaturen gekämpft, eine zeigt Napoleon als «Wolf im Schafspelz». Auch Werke russischer Künstler sowie Tonaufnahmen und Ausschnitte aus dem «Simplicissimus», welche vor Hitler und den Nationalsozialisten warnen, beeindrucken. Hervorzu­heben ist hier ein Stück Toilettenpapier von 1943, das von den ­Alliierten stammt. «Dafür kam ein eigener Transporter zu uns nach Zug», so Haldemann.

Von einem polnischen Künstler stammt ein Lego-Bausatz von Auschwitz, und ganz neu sind die winzigen, gekneteten Lenin-Parodien aus Sibirien. So heiter wie nachdenklich stimmend ist auch das Werk «I like America and America doesn’t like Me» des Weltstars Anish Kapoor. Und der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiei zeigt auf seinen Fotos und mit seiner Skulptur der Welt den Stinkefinger.

Der Karneval als Ventil

Über das Gemälde von 1770, welches zugleich Motiv des ­Ausstellungsplakats ist, sagt Matthias Haldemann: «Jean-Etienne Liotard ist einer der wenigen Künstler, die sich lachend zeigen. Das Bildnis strahlt Heiterkeit aus.» Seit der Antike sind Satire oder Parodie, Spott und Groteske oft ein Ventil gegen starre Ordnungen und Hierarchien. Schon damals wurde ausgelassen bei Tanz und in Ekstase gefeiert, wie griechische Stücke veranschaulichen. Von der Commedia dell’arte leitet Haldemann zum Karneval über: «Er war immer ein wichtiges Ventil, um Kritik an der Obrigkeit zu äussern.» Der Direktor verweist auf Agostino Carracio (1657–1602), von dem eine der ersten Karikaturen stammt. Und Rodolphe Töpffer (1799–1846) nennt er als Erfinder der Comics.

Ein Kabinett widmet sich dem Komisch-Obszönen, in einem anderen wird auf Gemälden und in Texten der Begriff Kunst hinterfragt. Der Raum «Sinnspiele» zeigt auf, dass Wort und Bild wichtig sind, um die Wirklichkeit zu reflektieren. Hier wird an das Cabaret Voltaire und die Dada-Bewegung erinnert, wo vor rund 100 Jahren mit viel Witz über das Leben ­philosophiert worden ist.

Kunstparodien habe es bereits früher häufig gegeben, fährt Haldemann fort. So habe die Mona Lisa diverse Künstler zu originellen Adaptionen angeregt, ein Beispiel sind die Plastilin­figuren von Gelatin. Bei den Selbstkomödien kommt die Rolle des Narren zum Tragen. Hier treten Künstler in Theater, Film, Slapsticks oder Videos in Aktion – und lachen über sich selbst. Als repräsentatives Beispiel ist hier Cindy Sherman anzuführen, die als Clown verkleidet immer neue Rollen annimmt. Und Martin Kippenbergers Installation von 1993 «Ich gehe in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald» ist belustigend und tiefsinnig zugleich – wie viele Objekte in der Ausstellung.

Aufwendige Recherchen

Ein Team aus dem Kunsthaus mit Studenten, jungen Wissenschaftern und Freiwilligen hat 2011 mit der Recherche begonnen. Die Resultate der Forschung bilden das Konzept der Ausstellung, zu der eine wissenschaftliche Begleitpublikation erscheint. «Wir mussten gar Fachleute aus Wien und Berlin beiziehen», ergänzt Kunstvermittlerin Sandra Winiger. Die Frage, was der Humor im Leben bedeutet, wo seine Grenzen sind und was aus den Wechselwirkungen zwischen Kunst und Humor resultiert, habe die Arbeitsgruppe jahrelang beschäftigt, so Haldemann. Anfangs habe man nicht geahnt, wie vielfältig das Thema wirklich sei. «Nun bin ich gespannt, wie das Publikum reagiert.» (Monika Wegmann)

Hinweis
«Komödie des Daseins. Kunst und Humor von der Antike bis heute» im Kunsthaus Zug. Eröffnung heute Samstag, 17 Uhr, im Pfarreisaal St.Michael. Ausstellung bis 6. Januar 2019. Weitere Infos, auch über Rahmenveranstaltungen, unter: www.kunsthauszug.ch.