Herr Kochtopf und Frau Deckel gehen fremd
Musik
Eigenartiger Auftakt der diesjährigen Sommerklänge: Auf zwei Werke in klassischer Klaviertrio-Besetzung folgte das stark humoristisch gefärbte Sextett «La revue de cuisine» von Bohuslav Martinů.
Zug – Der Veranstaltungsort stellt die Musiker vor Herausforderungen.
Für den diesjährigen Auftakt der «Sommerklänge» fanden sich gestern neben dem Stammpublikum auch zahlreiche neue Gesichter, die beweisen, dass die Veranstaltungsreihe auch über die Kantonsgrenze hinaus immer mehr Leute anspricht. Im Business Center Grafenau in Zug traf sich ein sehr zahlreiches Publikum. Als Beginn der 18. Konzertreihe war es genau die 84. Aufführung, dies ein weiterer Beweis, dass sich das Grundkonzept der «Sommerklänge» seit längerer Zeit bewährt hat.
Während bei anderen Veranstaltungsorten die vordersten Leute im Publikum von langen Bogenstrichen fast an Knie und Schultern berührt wurden, fand man im Business Center Grafenau genügend Platz. Wie der Geograf Benno Furrer in seinen Einleitungsworten darlegte, erinnerte die etwas an französische Verhältnisse gemahnende Architektur auch an das Konzert- motto «Schmelztiegel Paris». Die durchwegs hochqualifizierten und gut aufeinander eingestimmten Mitwirkenden brauchten die trockene Akustik nicht zu scheuen. Aber der unten trapezförmige Raum mit sehr hohem kuppelartigem Überbau so wie die weite Entfernung der Musiker von den Wänden erschwerten die dynamische Steigerung – besonders deutlich im dritten und vierten Satz von Ravel, wo man den drei Mitwirkenden ansah, dass sie bei andern akustischen Verhältnissen sehr viel mehr hätten herausholen und zeigen können.
Das nach der Pause gespielte «Küchen»-Sextett von Bohuslav Martinů (1890–1959) liess solche Einwände vergessen. Das ursprünglich als Ballettmusik konzipierte Werk wurde in der dargebrachten Form erst nach dem Tode des Komponisten entdeckt. Die von Peter Hoppe geschaffene und vorgetragene freie Übersetzung des erst tschechischen, dann französischen Originals erleichterte dem Publikum das Mitgehen bei dem manchmal tonal erweiterten, aber doch leicht nachvollziehbaren Notentext. Die amourösen Abenteuer von fünf Küchengeräten (Kochtopf, Deckel, Rahmschläger, Küchenlappen und Besen) mit einer rührenden Versöhnung am Schluss eroberten sofort die Herzen des Publikums.
Als «Jazz» im Sinne des Untertitels konnte man höchstens einzelne Sätze bezeichnen. Auch war wohl weder dem Publikum noch dem Komponisten vollständig klar, wie sich die Charaktere von fünf Protagonisten auf die sechs mitwirkenden Instrumente zu verteilen hatten. Es war aber ein richtiger Martinů, und das hat dem Publikum offensichtlich zu Recht gefallen: «Und die Moral von der Geschicht: Passid uf, dass äs der Deckel nid zfescht lüpft.»
Der Vorteil des Atriums
Es war sinnvoll, das Programm so umzubauen, dass beide Klaviertrios mit ihrem starken Bezug zum Pariser Musikleben im ersten Teil erklangen. In sicherer Ausgewogenheit und mit allen Qualitäten eines seit langem gefestigten Trios begann man mit den drei Nocturnes von Ernst Bloch (1880–1959), die alle Vorzüge des auch ausserhalb der Musik hoch gebildeten Komponisten voll zur Geltung brachten. Von grosser Anpassungsfähigkeit zeugte die Interpretation des viersätzigen Trios von Maurice Ravel (1875–1937): Die vom Komponisten genannte Forderung, das Klavier dürfe insbesondere das Cello nicht übertönen, ergab sich im Grafenau-Atrium wie von selbst. Selbst als Madeleine Nussbaumer mit einer Kraft in die Tasten griff, die in jedem andern Raum die Streicher hoffnungslos übertönt hätte, blieb das Gleichgewicht bis in den Schluss gewahrt. (Jürg Röthlisberger)
HinweisDas zweite Konzert der «Sommerklänge» ist am Sonntag, 15. Juli, ab 17 Uhr in der International School in Walterswil bei Baar.