Beethovens letzte Werke

Musik

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Das dritte «Sommerklänge»-Konzert brachte zwei späte Beethoven-Streichquartette. Die Interpretation durch das Kuss-Quartett erschien in gleicher Weise spieltechnisch und musikalisch ausgereift.

  • Das Streichquartett Es-Dur op. 127 bei seinem Auftritt. (Bild Roger Zbinden)
    Das Streichquartett Es-Dur op. 127 bei seinem Auftritt. (Bild Roger Zbinden)

Baar – Der definitive Verlust des Gehörs gegen 1820 führte bei Ludwig van Beethoven begreiflicherweise zu einer Schaffenskrise. Erst als er 1818 die Verständigung über «Korrespondenzhefte» akzeptiert hatte und sich auch die familiäre Situation in seinem ­Sinne geregelt hatte, entstanden wieder absolute Meisterwerke, im Gefolge der «Missa solemnis» und der neunten Sinfonie auch die beiden gespielten Streichquartette Opus 127 in Es-Dur und Opus 132 in a-Moll.

Trotz sichtbarer Unterschiede in der Gestik und in spieltechnischen Details fanden die vier Mitglieder des Kuss-Quartetts (Jana Kuss und Oliver Wille, Violinen, William Coleman, Viola, so wie Mikayel Hakhnazaryan, Violoncello) beim dritten «Sommerklänge»-Konzert sofort jene Sicherheit in der gemeinsamen Werkauffassung, wie sie nur nach jahrelanger Zusammenarbeit auf hohem musikalischem Niveau gelingt. 

Kraftvoller Einstieg

Angemessen erschien die grundsätzlich lebensbejahende Stimmung in Opus 127. Schon der erste Einstieg erfolgte kraftvoll, und die Missachtung der damals fast vorgeschriebenen Sonatenform störte weder das Publikum in der reformierten Kirche Baar gestern noch jenes bei der Ur­aufführung in Wien am 6. März 1825. Den Septakkord im zweiten Satz übernahm gleich eine ausgedehnte Kantilene der Ersten Violine. Dass die harmonisch und rhythmisch interessanten Unterstimmen nicht nur als Begleitung verstanden wurden, schien innerhalb des Gesamtkonzepts logisch. Vieles erinnerte auch an frühere Beethoven-Kompositionen, etwa das zweimalig angesetzte Fugato des dritten Satzes und die kurze Rückerinnerung mit verschiedenen Themen-Fragmenten kurz vor dem Schluss.

Eine der vielleicht etwas zu seltenen Piano-Stellen eröffnete das A-Moll-Quartett. Geheimnisvoll erschienen die verminderten Septakkorde – für jede einzelne Stimme neu variiert. Von der Nachwelt ist gerade bei Opus 132 viel hineininterpretiert worden. In der vorgetragenen Interpretation wirkte vor allem der zweite Satz stilistisch viel geschlossener, als er von vielen Musikwissenschaftern dargestellt wird. Etwas barocke Töne mit kurzem Verzicht auf jegliches Vibrato brachte der dritte Satz. Bald bewegte man sich dann wieder in Dur. Angemessen erschienen die scharfen dynamischen Kontraste nach der Rezitativ-Überleitung der Ersten Violine in den Schlusssatz mit seinen zahlreichen harmonischen Erweiterungen. 

Blattfrei gespielter Schlusssatz

In ähnlichem Geist erklang auch der als Zugabe blattfrei gespielte Schlusssatz aus Streichquartett Opus 135. Es war dies die letzte abgeschlossene Komposition Beethovens, und entsprechend zahlreiche Legenden ranken sich um die handschriftliche Ergänzung: «Muss es sein? Es muss sein!» 

Beethoven hat in seinen späten Werken viele Stilprinzipien seiner Epoche missachtet. Aber auch als Ertaubter fühlte er offensichtlich, was Streicher gerne spielen, und entsprechend sind diese letzten Werke für die Instrumentalisten mit entsprechendem Können bis heute Weltliteratur geblieben. (Jürg Röthlisberger)