«Ihre Enkelin hatte einen Unfall», sagt sie der alten Frau

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Der Fliz Filmclub zeigt im Kino Gotthard «Dene wos guet geit». Dieser ist weit mehr als ein Film über Enkeltrickbetrug, sondern bietet eine scharfe Aufnahme einer Zeit, in der man häufiger mit dem Handy als mit seinen Nächsten beschäftigt ist.

  • Eine Szene aus dem Film: Alice läuft durch die Strassen und kontaktiert ältere Frauen. (Bild: PD)
    Eine Szene aus dem Film: Alice läuft durch die Strassen und kontaktiert ältere Frauen. (Bild: PD)

Zug – Leute um den Finger zu wickeln, das lernt Alice bei ihrer Arbeit im Callcenter in Zürich tagtäglich. Mal verkauft sie Krankenkassenpolicen, mal Internet-Abos, mal «besonders günstige» Festnetztarife. Ein eher älteres Modell, wie ihr Chef im zugehörigen Briefing feststellt, das sich an entsprechend ältere Kunden richte. Diesen müsse man das Gefühl geben, die Zeit am Telefon sei ihre Zeit. Macht man das, verraten einem die Kunden vieles. Doch was ist mit Alice und ihren Kolleginnen, wie geht es ihnen? Auf dem Nachhauseweg kommen sie ins Gespräch über ihre jeweilige finanzielle Situation. Die Grosseltern könnten ruhig etwas mehr springen lassen, findet eine. Und überhaupt, was soll man mal dem eigenen Kind vererben, man hat ja nichts. Da hat Alice eine Idee. Sie hat schliesslich im Callcenter gelernt, wie man Senioren das gibt, was sie nicht mehr haben. Sie lässt sich von einem Passanten einen Hotspot geben und alles nimmt seinen Lauf.

«Dene wos guet geit» heisst ein bekanntes gesellschaftskritisches Lied von Mani Matter und so heisst auch der Debütfilm von Cyril Schäublin aus dem Jahr 2017. Der Film lief auf über 30 internationalen Filmfestivals und wurde in der Schweiz von über 10000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Kino gesehen. Am Montag zeigt nun der Fliz Filmclub im Kino Gotthard das mehrfach ausgezeichnete Werk. Vordergründig geht es zwar um die Enkeltrickbetrügerin Alice, eigentlich aber um viel mehr. Es geht um eine Gesellschaft, die sich gerade in einer Grossstadt wie Zürich fremd geworden ist. Ob der Krankenpfleger der alten Dame, die von Alice angeschrieben wird, oder die zwei Polizisten, die auf die Betrügerin angesetzt werden. Alle sind ununterbrochen mit ihrem Handy beschäftigt. Selbst wenn sie im Gespräch sind. Das Leben ist mehr beiläufig. «Hast du schon von dem neuen Abo gehört?», fragt der eine Polizist den anderen im Auto. «Welches?», will dieser wissen. Es ist eines dieser Abos, die Alice im Callcenter verkauft. Selbst als die alte Frau das Geld für die Enkelin auf der Bank abhebt, erhält sie zuerst einmal das WLAN-Passwort, um ihren entsprechenden Autorisierungscode abzufragen, verhindert wird die Abhebung trotzdem nicht.

Keine Erinnerung

Natürlich, oft wirken die Szenen überspitzt: Dass der Assistent in der Privatbank, in die dann auch Alice kommen darf, sein Tablet mit weissen Handschuhen bedient beispielsweise. Aber schaut man sich genauer in seiner Umwelt um, sind die Szenen doch nicht so abwegig. Oft weiss man im Film auch im ersten Moment nicht genau, wie die einzelnen Szenen zusammenhängen. Sie kommen übergangslos daher und eher wortkarg. Aber wer viel am Handy ist, muss auch wenig reden. Und wenn es im Film jemand doch versucht, lässt das Gedächtnis jeweils nach. Mehrmals wollen Darsteller anderen von einem guten Film erzählen, den sie gerade gesehen haben, der Titel fällt ihnen aber nie ein, und so fehlt dann auch die Gesprächsbasis.

Nach all diesen Szenen hält sich beim Zuschauer dann auch die Freude in Grenzen, als der Betrug ein Ende hat. Denn dieser Film hat kein Happy End, alle Charaktere sind auf ihre Art verloren. Die Greisin, die Täterin und viele andere auch. Wie wäre es mit einer neuen günstigen Krankenversicherung? (Christopher Gilb)

Hinweis

Die Vorführung ist am kommenden Montag, 14. Januar, ab 20 Uhr im Kino Gotthard Zug.