Als Gemeinden Kurorte sein wollten

Brauchtum & Geschichte

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Im auslaufenden 19. Jahrhundert erfreuen sich mehrere Berggemeinden eines regen Fremdenverkehrs. Jetzt wollen auch Ortschaften um den Zugersee davon profitieren.

  • Das Kurhaus über dem Bruederloch in Walchwil im Jahr 1954. Es wurde 1985 abgerissen. (Bild Werner Friedli/ ETH-Bildarchiv)
    Das Kurhaus über dem Bruederloch in Walchwil im Jahr 1954. Es wurde 1985 abgerissen. (Bild Werner Friedli/ ETH-Bildarchiv)

Zug – Einbildung ist bekanntlich auch Bildung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts machen mehrere Orte im Kanton Zug Touristen weis, als sogenannte Luftkurorte etwas für deren Gesundheit zu tun. Und zwar nicht an Standorten jenseits der Tobelbrücke, sondern rund um den Zugersee. Die vielerorts fehlenden Höhenmeter werden sogar als Vorteil ausgelegt, wie eine Broschüre von 1885 verdeutlicht.

Laut jener ist die Stadt Zug «ein Luftkurort, der sich ganz besonders zu einem Frühlingsaufenthalt für ältere Leute und überhaupt Personen eignet, die gern in der Ebene wandeln und das Steigen vermeiden wollen». Selbst um ins «Guggithal» zu gelangen – ein Musterbeispiel für die Fremdenverkehrsentwicklung des Kantonshauptorts – kann man seit 1907 das Steigen ebenfalls bequem vermeiden: Die Strassenbahn macht auf ihrem Weg zur Schönegg Halt davor.

Zuger Hotels legen stark zu

Doch zurück zu den Anfängen des zugerischen Taltourismus. Das Bild der Stadt hat sich während weniger Jahre stark gewandelt. Etliche Bestandteile der Stadtmauer sind verschwunden, der erste Bahnhof (eröffnet 1864) und das Regierungsgebäude (Baubeginn 1869) zeugen von der Vorwärtsstrategie. Auch Fremde sollen sich davon überzeugen. Wie passend, dass man in Dr. med. Gsell-Fels eine Koryphäe findet, der Zug attestiert, «besonders im Vorsommer für noch schwache Rekonvaleszente, für Kuranden, die einer vorsichtigen, allmählichen Hebung der Kraft bedürfen» geeignetes Aufenthaltsziel zu sein. Da ist es umso bitterer, dass sich 1887 die Vorstadtkatastrophe ereignet, bei der 35 Häuser im See versinken und elf Personen sterben. Als Reaktion darauf werden ein Verein und ein Verband – Letzterer bestand mehrheitlich aus Nicht-Zugern – gegründet, um den Tourismus stärker anzukurbeln. Das zahlt sich aus. 1914 sind die Hotels Zugerhof, Hirschen, Löwen, Schweizerhof und Bahnhof besser ausgelastet als der frühere kantonale Hotspot Bad Schönbrunn bei Edlibach. Zu dieser Zeit steigt der Anteil an Gästen aus der Schweiz und aus Deutschland, zuvor ist vorwiegend Französisch gesprochen worden.

Angesichts der Erfolge in Zug wollen auch andere Orte etwas vom Kuchen abbekommen. In Walchwil, dem selbst ernannten «zugerischen Nizza» mit immerhin nachweislich besonderem Klima, lädt ab 1889 das Kurhaus über der Kantonsstrasse beim Bruederloch thronend zum Verweilen ein. Natürlich hatte ein Hürlimann – Johann Baptist mit Vornamen – den Mut und die Möglichkeiten dazu, vorgängig den einstigen «Schlüssel» zu kaufen und diesen später als Dépendance des Kurhauses zu nutzen. Mit Erfolg. Seinen Gefallen an der Atmosphäre giesst ein Zürcher Gast in folgende Zeilen: «Keine Fabrikkamine, keine Dampfpfeife stört die Idylle: Man fühlt sich unsäglich wohl.»

Grosses Angebot in Walchwil

Dem ersten Kurhaus ist allerdings kein langes Dasein beschieden. Es brennt 1899 ab und wird 1900 durch einen Neubau ersetzt, der sich durch Verzierungen und einen Turm auszeichnet. Die Namen wechseln bis zum Abbruch 1985 häufig: Pension Hürlimann, Hotel & Pension Gebr. Neidhart, Hotel und Pension Riviera, Kurhaus Rust, Kurhaus Walchwil und Hotel Zugersee – die Aufzählung ist wohl nicht abschliessend. Das Haus bietet zeitweise 50 Betten sowie die Dépendance und damit deutlich mehr Platz als die Konkurrenz, namentlich die Pensionen Hörndli und Löwen sowie das Ferienheim Aesch und die Villa Frohburg beim Bahnhof. Nur das Erholungsheim St.Elisabeth, das sich an Frauen richtete, ist noch geräumiger.

Auch am gegenüberliegenden Ufer etablieren sich Fremdenverkehrsdestinationen. So geniessen Erholungssuchende in der Buonaser Pension Zum Wilden Mann gern «Sonnen-, See- und Luftbäder» oder steigen im «Waldheim» ab, das mit nicht weniger als dem «idyllisch schönsten Punkt des Zugersees» punktet. So sehr die Orte im Wettstreit stehen: Die touristische Vermarktung findet mitunter gemeindeübergreifend statt und konzentriert sich auf den gemeinsamen Nenner: Nein, nicht den Zugersee, sondern selbstverständlich den «Lake of Zoug». (Raphael Biermayr)

Hinweis
In dieser Serie werden Geschichten des Zuger Tourismus vorgestellt. In diesem Teil lesen Sie über «Kurvereine und Kritik, Schiff und Denkmal». Quelle: «Sonne, Molke, Parfümwolke». Text: Michael van Orsouw. 1997.