Für ihn gibt es nur einen Werkstoff

Kunst & Baukultur

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Der Berner Urs-P. Twellmann ist Bildhauer, Plastiker und Holzpoet, derzeit zeigt er einige seiner Arbeiten in Zug.

  • Urs-P. Twellmann vor seiner 7,2 Meter langen Installation «Im Terrarium». (Bild Stefan Kaiser)
    Urs-P. Twellmann vor seiner 7,2 Meter langen Installation «Im Terrarium». (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Auf allen Kontinenten hat der Landart-Künstler Urs-B. Twellmann schon seine Installationen, Skulpturen und Objekte ausgestellt. Derzeit ist er in Italien an einer Ausstellung beteiligt, kürzlich war er in Hamburg und Darmstadt. Nun ist er mit einigen seiner Arbeiten in Zug in der Galerie Urs Reichlin zu Gast, am Donnerstagabend fand die Vernissage statt. Und es ist erstaunlich und faszinierend zugleich, was er aus dem Holz entstehen lässt, indem er es zersägt, bricht und spaltet, den Prozess analysiert und dem Material neue Formen verleiht. Einen Einblick in sein Schaffen vermittelte er an der Vernissage bei einem Diavortrag.

«Holz hat so viel Eigenleben, und jedes Stück hat einen eigenen Charakter», sagt Urs-P. Twellmann. Da er seit fast 40 Jahren nur Holz als Werkstoff für seine Interventionen und Objekte verwendet und immer wieder dessen materielles Verhalten testet, verweist er auf seine grosse Erfahrung. «Früher, in der Schule für Gestaltung, haben wir verschiedene Materialien verwendet», erzählt er bei einem Rundgang in der Galerie schmunzelnd. Aber das Holz habe ihn von Anfang an fasziniert: «Mir ist es zudem ein Anliegen, das Holz als lebendiges Material erfahrbar zu machen.»

Wer die Galerie betritt, stösst auf eine unübersehbare, schlangenartige Skulptur. Die aus 474 Fichtenteilen geschaffene Installation «Im Terrarium» ist 7,2 Meter lang. Das Werk sei eigens für Zug erst am letzten Wochenende fertig geworden. «Die Fichte wächst meist extrem gerade. Indem ich ihr hier eine andere Form gebe, erzeuge ich einen maximalen Kontrast. Die Stücke sind aus einem einzigen Baum in der Reihenfolge ihres Wachstums gesägt worden», erläutert der Künstler. Ja, es sei eine spielerische, aber vor allem experimentelle Form im Umgang mit dem Naturmaterial: «Ein Anteil Wissen spielt natürlich mit.»

Sägen erfordert Konzentration

Bei dieser Arbeit ist der Einsatz der Säge für den Betrachter klar nachvollziehbar. Doch bei der zweiteiligen Skulptur aus Linde, die er nach dem Sandstrahlen mit einem feinen Muster und kleinen Durchbrüchen verziert hat, ist es kaum vorstellbar, dass hier für die Textur ausschliesslich eine Motorsäge zum Einsatz kam. «Ich musste sehr konzentriert arbeiten», gibt er zu. Aber es sei ihm wichtig, immer herauszufinden, was beim jeweiligen Holz machbar sei. «Das erfordert eine Zusammenarbeit mit dem Holz», sagt er und verweist auf das Objekt mit den zwölf quadratischen Wandplatten aus Linde. «Das grüne Holzbrett war zuerst gerade. Durch meinen Eingriff mit einem Trocknungsprozess hat es sich verformt und gewölbt. Allerdings kann ich dabei nur einen gewissen Bereich steuern.» Mit dem Holz der Linde arbeite er gerne. «Es eignet sich sehr gut, weil es eher weich ist, und wenig bricht oder reisst. Ausserdem ist es innen langlebig, aber draussen schnell vergänglich.» Es gebe auch Stücke, die nicht funktionierten. «Ich gehe ab und zu über das Limit heraus und lote die Grenzen der Machbarkeit aus, manchmal bis etwas kaputtgeht.»In der Ausstellung sind weiter einige früher entstandene Skulpturen aus Hainbuche, Eiche oder Kirsche zu sehen. Bei Letzterer hat Twellmann festgestellt: «Es ist das einzige Holz, dessen Rinde nicht kaputtgeht. Beim Experimentieren konnte ich die Rinde ganz- oder teilweise wegdrücken, und so sind diese wie Horizonte wirkenden Linien in der 12-teiligen Skulptur entstanden.» Ein anderes Werk zeigt eine kunstvoll aufgefächerte Rinde: «Ich möchte einen höchstmöglichen Kontrast oder natürliche Formen in den Arbeiten erreichen.»

Wie viele Teile beim Eingang die kugelartige Skulptur aus Rebenholz hat, weiss Urs-P. Twellmann nicht, wie er lachend zugibt. «Ich habe sie aus vielen armlangen, knorrigen Stücken arrangiert, so lange, bis die Form passte.» Die kleineren Arbeiten entstehen bei ihm im Atelier, die grösseren an Ort und Stelle im Wald. Für grössere Projekte skizziert er vorgängig die möglichen Formen. «Solche Skizzen befinden sich in der grössten Kiste in meinem Haus», erzählt er, und mit dem ihm eigenen Schalk ergänzt er: «Ideen habe ich mehr als Zeit. Denn für die Idee brauche ich eine Sekunde, für deren Realisierung drei Monate.»

Spannungsfeld von Chaos und Ordnung

Urs-P. Twellmann (*1959) lebt im bernischen Schlosswil. Im Lehrerseminar dokumentierte er erste Interventionen im Innen- wie im Aussenraum mit der Kamera. Nach dem Besuch der Schule für Gestaltung, Bern, begann er autodidaktisch als Bildhauer zu arbeiten. Bereits 1981 entstanden in den USA diverse Landart-Interventionen. 1985 begann er die Arbeit mit der Kettensäge. Danach folgten zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. In Unterägeri hat Twellmann im Auftrag der Korporation vor einigen Jahren für den Aussenraum ein Holzkunstwerk aus drei Eichenstämmen geschaffen. Immer wieder reizt es den Künstler, innerhalb des kreativen Prozesses das Spannungsfeld zwischen Chaos und Ordnung auszuloten – und das bekannte Naturmaterial zu neuen Formen zu gestalten. (Monika Wegmann)

Hinweis
Die Ausstellung ist bis 17. August in der Galerie Urs Reichlin in Zug zu sehen.