Die blaue Stunde der Berge

Kunst & Baukultur

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Giorgio Avanti lässt seine Intuition bestimmen, welche Farbe die Welt gerade trägt. Ein Lob der Leichtigkeit.

  • Der Zuger Giorgio Avanti stellt aktuell in der Galerie Müller aus. (Bilder Boris Bürgisser)
    Der Zuger Giorgio Avanti stellt aktuell in der Galerie Müller aus. (Bilder Boris Bürgisser)

Walchwil – Kein Mangel an Bergen. Seit Juni schon bildet Bruno Müller-Meyer in der Galerie Vitrine das Berner Oberland ab. Nun bietet neu und in unmittelbarer Nähe die Galerie Müller eine verspielte und farbintensive Variante des Künstlerblicks auf die Schweizer Bergwelt. Der in Walchwil im Kanton Zug lebende und 1946 in Luzern geborene Giorgio Avanti skizzierte Berge des Berner Oberlands und Oberengadins vor Ort, malte sie im Atelier in Acryl auf Leinwand und stellt sie nun im Galerie-Raum an der Haldenstrasse 7 aus.

Giorgio Avanti ist so fröhlich und aufgeschlossen, wie sein Künstlername klingt. Woher der eigentlich rührt, will man gerne von ihm wissen. Ein Künstlerkollege beschloss das eines Tages so: «Du bist der Avanti», habe der gesagt, erzählt der vor 74 Jahren als Peter Georg Studer Geborene. Der studierte Jurist ist als Künstler und Schriftsteller Autodidakt – zur Kunst kam er über seine verstorbene Frau, der Künstlerin Marianne Eigenheer.

Was die farblich verfremdeten Berge betrifft, so schildert Avanti seine Vorgehensweise auch folgendermassen: «Ich male die Umrisse, und dann fühle ich das Bild.» Von seiner Intuition, gerade auch was die Wahl der Farben betrifft, lässt sich Giorgio Avanti aber auch leiten, wenn er Menschen malt.

Die Ironisierung der Eitelkeiten

«L`heure bleue» ist bereits seine siebte Ausstellung in der Galerie Müller. Sie zeigt Berge, den Zugersee, das «Caffè Campari» in Milano, aber auch zwei Damen in Rot mit violettem Haar und sieben Gouachemalereien. Gerade bei diesen tritt der Humor des Künstlers zu Tage. «Louboutin», heisst die eine, «Louis Plöff», die andere. Eine Ironisierung unser aller Eitelkeit? Schöne Schuhe und schöne Taschen für schöne Oberflächlichkeit? Der Künstler kommentiert vergnügt: «Ja, ich nehm die Eitlen auf den Pinsel.»

Seit Anfang der Achtzigerjahre malt Giorgio Avanti, zu schreiben begann er noch früher. «Ich lebe von der Sehnsucht nach neuen Bildern», sagt er heute. Gemäss Werkverzeichnis per Ende 2019 schuf Giorgio Avanti bislang 2567 Bilder. Neun literarische Werke veröffentlichte er zudem, zuletzt, im März 2020, den Erzählband «Damenwahl». Ein reges Schaffen.

Für den schreibenden Künstler und malenden Schriftsteller ist «Schreiben Malen und Malen Schreiben». Die Texte seien stets schon in seinem Kopf, und er lasse sie fliessen. Seine Bilder fülle er mit seiner Fantasie. Giorgio Avanti ist dieses Zitat von Franz Marc sehr wichtig: «Malen ist Ankommen an einem anderen Ort.» Betrachtet man die Bilder Avantis, dann hat man den Eindruck, dieser Künstler spüre der Leichtigkeit nach und gelange dabei an Orte der Unbeschwertheit.

«Ich verfremde mit den Farben», betont Avanti. «Violette Haare und rotes Kleid? Diese Kombi hat mir gepasst.» Seine gemalten Berge würde er gerne noch mehr abstrahieren – mit abstrakter Malerei hat er einst begonnen. Ganz klar hat der Zuger aber eine Gabe fürs Figurative: Am herausfordernden Blick und der stolzen Haltung der Dame in Rot kann man sich lange verweilen.

Stephan Hegglin-Besmer schrieb 2019 zu Giorgio Avanti: «Es braucht kindliches Vertrauen, neugierig eine Welt zu erschaffen, zu verändern.» Gegen- und Nebenwelten hätten Peter Georg Studer schon als Kind beschäftigt, das im Estrich Ölfarben entdeckte und die Gemälde der Eltern damit verschönerte. (Susanne Holz)

Hinweis
Ausstellung mit Giorgio Avanti: «L`heure bleue». Bis 12. 9. in der Galerie Müller, Haldenstrasse 7, Luzern. Geöffnet Do/Fr 14–18 Uhr; Sa 13–17 Uhr. Begegnung mit dem Künstler: Sa, 29. 8., 16–18 Uhr. www.galeriemueller.ch