Wenn die Entlassungswelle das Kader trifft

Theater & Tanz

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Das Team des Theaters Baar feiert mit Urs Widmers Sozialsatire erfolgreich Premiere. Es ist ein Aufruf zu mehr Menschlichkeit.

  • Thomas Inglin als Manager und Jeannine Lütolf als Therapeutin. (Bild Stefan Kaiser)
    Thomas Inglin als Manager und Jeannine Lütolf als Therapeutin. (Bild Stefan Kaiser)

Baar – Das Thema ist topaktuell, es geht um strukturelle Arbeitslosigkeit in einer globalisierten Wirtschaftswelt. Auch heute sind von den Entlassungen meist Frauen und Männer in den unteren Gehaltsklassen betroffen und selten diejenigen, die oben stehen. Dies hat Urs Widmer in seiner 1977 erschienenen Satire «Top Dogs» angeregt, einmal den Spiess umzudrehen: Es geht um sieben Führungskräfte, die unerwartet die Entlassung erhalten und nun das erleben, was sie anderen angetan haben – sie werden Underdogs. Mit dem Stück «Top Dogs» feierten die Baarer Theaterleute am Donnerstagabend in der Schrinerhalle erfolgreich Premiere.

Elegant gekleidet und selbstbewusst treten die ehemaligen Managerinnen und Manager in der New Challenge Company ein, in der Hoffnung auf einen neuen Karriereschritt. Mit einem farbigen Gymnastikball nehmen sie auf den Rollgestellen Platz, alle geben nacheinander ihre Entlassungszeit bekannt.

Sie kommen vom hohen Ross herunter

Von Gipfel- oder genauer Gipfelikonferenz spricht lachend die Leiterin Frau Wrage (Jeannine Lütolf). Wie auch die anderen berichtet Herr Krause (Thomas Inglin) anfangs schwärmerisch von seiner alten Position bei der Swiss, von Heimatgefühl, Umsatz und Ansehen. Aber er weiss vor lauter Schuften nicht, wie seine Kinder heissen. Er will nicht akzeptieren, dass er einfach abgelöst wurde. Im Laufe der Therapie bricht er heulend zusammen, findet alles «Scheisse»und redet zitternd von Mord.

Langsam wird deutlich, wie die Entlassenden früher mit ihren Untergebenen umgegangen sind. Für Herrn Bihler (Marcel de Sepibus) sind die Führungskräfte nun Monster, der Markt ist ein Schlachtfeld und der Handel ein Krieg. Und nach der Entlassung? Da müssen Ersatzbefriedigungen her, wie bei Herrn Neuenschwander, der einen Porsche kauft und sich jeden Morgen rein setzt, aber nicht fährt. Frau Müller (Melia Inglin) verdrängt und sagt cool: «Ich habe kein Problem mit der Situation.»

In dem grotesken Crashkurs, der bei den Rollenspielen ungeahnte Gefühle auslöst, kommt zu Tage, wie auch das Privatleben und die menschlichen Beziehungen leiden. Alle steigen vom hohen Ross herunter, verlieren ihre coole Haltung und werden ehrlicher. «Was alle verbindet, sie stehen auf der Strasse», so die Leiterin über die neue Realität. Auch sie hat ihre Geschichte, die nach und nach herauskommt.

Mit witzigen Dialogen in Mundart, kurzen prägnanten Auftritten sowie Gags wie dem Zeitlupenmoment zur Musik und der Szene mit dem Reisswolf, wird die Handlung vom Team locker und spannend umgesetzt. Die Charaktere kommen glaubhaft rüber. Das von Alexandra Weibel und Claudia von Grüningen einstudierte Stück – ein Aufruf zu mehr Menschlichkeit – überzeugt. Die wenigen Elemente wie Bälle und Rollgestelle sind geschickt eingesetzt. Mit ein bisschen Schadenfreude, aber vor allem mit grossem Applaus, verdankt das Publikum das engagierte Spiel. Zu Beginn hatte Jeannine Lütolf, Präsidentin des Vereins Theater Baar, ihre Freude darüber ausgedrückt, dass «wir nach fast zwei Jahren Unterbruch wieder spielen können». (Monika Wegmann)

Hinweis
Infos und Tickets: www.theaterbaar.ch