Das alte neue Kellertheater

Theater & Tanz

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Die neue Co-Leitung begann gerade erst ihre Arbeit im Zuger Burgbachkeller, da schlug die Pandemie zu. Vier Jahre später kommt das Team in der Zukunft an.

  • Die beiden Leiterinnen des Burgbachkellers Zug. (Bild: Nora Nussbaumer)
    Die beiden Leiterinnen des Burgbachkellers Zug. (Bild: Nora Nussbaumer)

Zug – Dieser Artikel ist in der März-Ausgabe 2024 des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den weiteren Artikeln. 

 

Automatisierung und Jobverlust, Falschinformationen und die Zerstörung der Demokratie: «Achtung, Killer-KI!» Die immer und immer schneller fortschreitende Entwicklung künstlicher Intelligenz treibt um – auch im altehrwürdigen Burgbachkeller in der Zuger Altstadt. 
Von Mitte Februar 2024 bis Anfang Juni finden hier deshalb im Rahmen der Reihe «Spot on …» Veranstaltungen aus den unterschiedlichen Sparten statt, die sich mit der Thematik auseinandersetzen. Alles Veranstaltungen, die aufklären wollen, experimentieren und weiterspinnen: ein Vortrag, ein Improvisationstheater, eine Lesung, ein Workshop oder interdisziplinäre Performances  – mit Namen wie Martina Clavadetscher oder auch Jojo Mayer, der nach 50 Jahren erstmals wieder im Burgbachkeller stehen wird. 

Eine neue Ära
Für diese aktuelle zweite Ausgabe der Reihe «Spot on..» verantwortlich zeigen sich die beiden Frauen, die den Burgbachkeller seit 2019 erst langsam, dann immer schneller in seine neue Zukunft führen: Giannina Masüger und Madeleine Flury. Es war im Frühjahr 2019, als klar wurde, der Burgbachkeller hat seine neue Leitung. Nach 24 Jahren ging Roland Schlumpf in Pension und übergab die Zuger Kleinkunstbühne an Masüger und Flury. 
Diese traten die Position mit einer ganzen Reihe an Ideen an, nicht nur fürs Programm, sondern auch die Strukturen der Zuger Kleinkunstbühne betreffend. Doch nach nur einem halben Jahr wurde ihre Arbeit hart unterbrochen. Der erste Lockdown legte erstmal alle Pläne auf Eis. Die nächsten Monate bestand für das neue Team daraus, die noch von Roland Schlumpf programmierten Künstler*innen zu verschieben, nochmals zu verschieben und derweil Lösungen für all die anderen pandemiebedingten Veränderungen und Probleme zu finden. «Teilweise mussten wir Auftritte bis zu vier Mal absagen und neue Termine finden», erzählt Giannina Masüger rückblickend. 

Faire Bedingungen für alle
Nachdem diese Arbeiten abgeschlossen waren, konnten die beiden endlich richtig loslegen. Einer der zentralsten Punkte für sie war dabei: «Wir wollen faire Bedingungen, faire Löhne für die Künstler*innen, die bei uns auftreten», sagt Madeleine Flury. Und diese Bedingungen sollten auch für sie selbst gelten. Denn schnell wurde ihnen klar, als sich die Überstunden türmten, dass ihr Pensum ein ganzes Stück zu tief angesetzt war für die anstehende Arbeit. «Es ist eigentlich ein bekanntes Problem, dass sich bei einem Grossteil der Kleinkunsthäuser, die ehrenamtlich entstanden sind, viele Bereiche professionalisiert haben in den vergangenen 

Jahren, nicht aber die Strukturen dahinter», betontFlury und fragt berechtigterweise: «Weshalb aber wird im Kulturbereich immer davon ausgegangen, dass man zu viel gibt, sich selbst ausbeutet?» 
Die Co-Leiterinnen des Burgbachkellers jedenfalls wollten solche Strukturen nicht weiterhin einfach (er-)tragen, sondern sie forderten den Wandel ein. 

Eine Menge Verhandlungen
Die neue Ausrichtung und die Entwicklung der Strategie der neuen Leitung führte deswegen nicht nur zu internen Veränderungen in den letzten Jahren, sondern vor allem zu Verhandlungen mit der öffentlichen Hand. «Wir haben kämpfen müssen für die Neuerungen, doch wir hatten das Glück, dass sowohl im Vorstand als auch bei Kanton und Stadt Kapazitäten vorhanden waren», sagt Flury. Dies lag nicht zuletzt daran, dass über zehn Jahre keine Subventionserhöhungen mehr verhandelt wurden. 
In den letzten Jahrzehnten habe das Haus sehr gut funktioniert: Auf dem Programm standen immer wieder grosse Namen, die Künstler*innen kamen gern, das Publikum ebenfalls. Eine Vision aber für die Zukunft, neue Ziele, das habe gefehlt, so Masüger. Der Burgbachkeller war ein Selbstläufer. Nun aber wurden Subventionserhöhungen beantragt, neue Nutzungen für die Räumlichkeiten angedacht. «Denn wir wollen nicht nur ein Veranstaltungs-, sondern auch ein Begegnungsort sein», so Masüger. «Wir wünschten uns, dass die Räume mehr genutzt werden können.» So wird nun auch im Sommer im Haus geprobt. Und am Montagnachmittag wird der Burgbachkeller, mit 25 Quadratmetern Bühne und dem Zuschauerraum für 100 Gäste, zum Co-Working-Space, wo sich Kulturschaffende vernetzen können. Zudem können nun Projekt-förderungen und Co-Produktionen finanziert werden. «Wir wollen hier einen Beitrag zur kulturellen Vernetzung in Zug leisten und dem Leerstand von Kulturräumen durch die Abwanderung Kulturschaffender nach Luzern und Zürich entgegenhalten.» Das Ziel besteht darin, dass der Burgbachkeller auch ausserhalb von Veranstaltungen produktiv genutzt werden kann und auch dadurch wieder Begegnungen entstehen. «Auch kleine Veränderungen können da etwas ausmachen», so Flury. Für sie und ihre Co-Leiterin aber ist es erstmal genug der Veränderung. 
Nach all den Anpassungen hat nun mehr Ruhe und Stabilität Einzug gehalten. «Auch wenn in diesem Job jede Woche anders aussieht», wie Masüger sagt. Nicht nur in den Strukturen jedoch haben die beiden Leiterinnen in der 1968 eröffneten Zuger Kleinkunstbühne Veränderungen angestossen. Auch das Programm ist zeitgenössischer geworden. Natürlich sei es immer wichtig, auch die grossen Namen und bekannten Kleinkunstklassiker zu zeigen, daneben aber programmieren Masüger und Flury auch den jungen Nachwuchs, neue Reihen und experimentelle Nischenproduktionen. Auch auf die Vermittlung, auf Kindertheater und Schul-Vorstellungen setzen Flury und Masüger vermehrt. 

Raum für Experimente
Masüger, ausgebildete Schauspielerin und Tanzpädagogin, kennt ihre heutige Co-Leiterin seit über 15 Jahren. Sie lernten sich beim Baarer Projekt «Ten Sing» kennen. Kulturmanagerin Madeleine Flury ist in Zug aufgewachsen und war vor dem Burgbachkeller unter anderem im Theater Casino Zug, an der Jugendoper Winterthur und am Luzerner Theater tätig. Der Burgbachkeller soll ein Haus für alle sein, betont sie. Im Programm soll Bekanntes mit Neuem gemischt und die Neugier geweckt werden. «Für uns ist das Liveerlebnis Alltag», sagt Masüger. «Und wir wünschen uns, dass auch das Publikum sich öfters dazu entschliesst, mal an einem freien Abend bei uns etwas Neues auszuprobieren.» Im Gegensatz dazu, möglichst kein «Risiko» einzugehen und deshalb lieber nur nach bereits bekannten Namen zu suchen. «Man muss auch nicht immer alles toll finden. Ein Theaterabend ist nicht nur gelungen, wenn einem das Stück gut gefallen hat und den Erwartungen entspricht. Wichtig ist, dass man etwas mitnimmt, es in einem etwas auslöst, dass es vielleicht auch zu Diskussionen führt», sagt Flury – wie schon 2019, als sie für den Burgbachkeller die ersten Pläne schmiedeten. 

Text: Jana Avanzini
Bilder: Nora Nussbaumer