Die vergessene Pilgerkapelle

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

,

Einst lag sie an einem Hauptverkehrsweg, heute abseits an einer Sackgasse: Die kleine Kapelle im Weiler Berchtwil bei Rotkreuz ist wiederholt dem Abriss entgangen.

  • Das rundbogige Gemälde mit dem hl. Wendelin stammt vom Zuger Maler Kaspar Wolfgang Muos und befand sich einst in der Kirche Holzhäusern. Bild: Jan Pegoraro (Rotkreuz, 14.2.2024)
    Das rundbogige Gemälde mit dem hl. Wendelin stammt vom Zuger Maler Kaspar Wolfgang Muos und befand sich einst in der Kirche Holzhäusern. Bild: Jan Pegoraro (Rotkreuz, 14.2.2024)
  • Die Kapelle in Berchtwil: einst Sammelplatz von Pilgern nach Einsiedeln. Bild: Jan Pegoraro (Rotkreuz, 14.2.2024)
    Die Kapelle in Berchtwil: einst Sammelplatz von Pilgern nach Einsiedeln. Bild: Jan Pegoraro (Rotkreuz, 14.2.2024)

Rotkreuz – Der Weiler Berchtwil bei Rotkreuz mit seinem hervorragend erhaltenen historischen Ortsbild von nationaler Bedeutung liegt heute abseits verkehrstechnischer Hauptachsen, eingebettet in die beschauliche Umgebung. Rad- und Fussvolk kommt hier gerne vorbei, motorisiertem Verkehr muss man eher selten ausweichen.

Berchtwil jedoch liegt an der historischen Landstrasse von Zürich respektive Zug nach Luzern und war durch seine Nähe zur einstigen Reussfahr «Eien» ins überregionale Verkehrsnetz eingebunden. Pilger aus dem Aargau und dem Luzernischen nach Maria Einsiedeln kamen in Berchtwil vorbei, um dann im Wegverlauf in Buonas das Schiff zu besteigen. So ist in Berchtwil um 1604 erstmals schriftlich eine Kapelle bezeugt, die vermutlich bereits im Jahrhundert zuvor wichtiger Treffpunkt der Wallfahrer gewesen sein und zum sogenannten Schultheissenhof gehört haben soll.

Mit der Weihe der Kirche im nahen Holzhäusern im März 1648 verlor das in einer historischen Archivalie «Schwerzmann-Kapelle» genannte Wegheiligtum in Berchtwil seine Bedeutung weitgehend. Bald wurden sämtliche Einkünfte der Kapelle Berchtwil für Unterhalt und Pflege der neuen Kirche in Holzhäusern verwendet, und das Kapellchen fiel allmählich dem Zerfall anheim, da sich kaum wer darum kümmerte, zumal der Hof, zu dem es gehörte, wiederholt den Besitzer wechselte.

Ein Neubau für 293 Franken

Im Jahre 1836 beschlossen die Berchtwiler, die heruntergekommene Kapelle zu ersetzen, allerdings in wesentlich kleinerer Form. Der Abbruch des verfallenen Gebäudes erfolgte im Folgejahr, worauf der Hünenberger Maurermeister Jakob Villiger die Mauern des heutigen Wegkapellchens hochzog. Nach Installation des Daches und des Fussbodens war die neue Pilgerkapelle zu Berchtwil 1839 vollendet. Die Gesamtkosten von 293 Franken und 35 Rappen trug die Gemeinde. Der Maler Jakob Villiger aus dem nahen Fenkrieden malte 1841 ein Bildnis des heiligen Jakob, des Patrons der Reisenden, für das Altärchen. Doch auch die erneuerte Kapelle fristete bald ein Schattendasein. Anfang des 20. Jahrhunderts sollen sogar die Besitzverhältnisse in Vergessenheit geraten sein. Ist die Wegkapelle jetzt Eigentum der Gemeinde, oder gehört sie dem Besitzer des nahen Schultheissenhofes? Man dachte über die Beseitigung der Kapelle und den Ersatz mit einem Wegkreuz nach. Dies wurde jedoch im letzten Moment verhindert dank des Legats einer Gönnerin und gesammelter Mittel. So konnte die Wegkapelle von Berchtwil 1917 umfassend erneuert werden.

Das Altarbild von Jakob Villiger wurde ersetzt mit einem barocken Gemälde aus der Kirche in Holzhäusern. Dieses zeigt den heiligen Wendelin kniend und in Begleitung seiner Tiere. Über ihm auf einem Wolkengebilde erscheint ihm die Muttergottes mit dem Jesuskind. Das rundbogige Gemälde ist 1690 vom bekannten Zuger Kirchenmaler Kaspar Wolfgang Muos geschaffen worden. 1939 und 1999 wurde die Kapelle renoviert.

In ihrer heutigen Gestalt von 1839 zeigt sich die Wegkapelle in Berchtwil als kleines Bethaus mit Walmdach und kleiner, sockelummauerter Vorhalle mit zwei Säulen. Der Kapellenraum selbst ist nahezu quadratischen Grundrisses. Einst dürfte die Kapelle offen, allenfalls vergittert gewesen sein. Die abschliessbare Holztür ist vermutlich im Zuge der Erneuerung von 1917 installiert worden. Der Innenraum präsentiert sich weitgehend schmucklos. (Text von Andreas Faessler)

Hinweis

In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fund­stücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.